Süddeutsche Zeitung

Steuergerechtigkeit:Das Geld der Welt wird neu verteilt

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Finanzminister Scholz pocht beim G-20-Treffen in Saudi-Arabien auf eine globale Mindeststeuer. Doch die Gespräche sind an einem sensiblen Punkt.

Von Bastian Brinkmann und Cerstin Gammelin, Berlin

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mischt gerade in einer heiklen globalen Steuerreform mit: Die Staaten der Welt verhandeln über ein weltweites neues Steuersystem. Geht es nach Scholz, soll es künftig dabei eine Mindeststeuer auf Konzerngewinne geben. Außerdem pocht er darauf, dass, wenn das Geld der Welt schon neu verteilt wird, Deutschlands Anteil mindestens so groß bleibt wie bisher. Der Zeitplan ist ebenso ehrgeizig wie das Ziel: Bis zum Jahresende soll es eine Einigung geben. An diesem Wochenende gehen die Verhandlungen in die nächste Runde, dazu wird Scholz nach Saudi-Arabien reisen, um bei den Kollegen aus den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern dafür zu werben.

Die Gruppe der G 20 hat enormen Einfluss, sie umfasst knapp zwei Drittel der Weltbevölkerung; sie erwirtschaftet mehr als vier Fünftel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und wickelt drei Viertel des Welthandels ab. Scholz hat die Mindeststeuer auch aus parteipolitischen Gründen zur Priorität erklärt: Gerechte Steuern sind ein Herzensthema der SPD. Er will zeigen, dass er dafür kämpft. So ein Nachweis kann nützlich sein, wenn die SPD demnächst einen Kanzlerkandidaten sucht.

Die Verhandlungen sind mühsam. Insgesamt diskutieren mehr als 135 Staaten eine grundlegende Steuerreform. Internationale Konzerne arbeiten ganz anders als einst der Handwerksbetrieb: Der erledigte seine Arbeit innerhalb der Stadtmauern und zahlte an den dortigen Kämmerer seine Abgaben, das war übersichtlich. Im 21. Jahrhundert überschreiten Geschäfte nicht nur Stadtmauern, sondern Staatsgrenzen. Deutsche nutzen Streamingdienste oder Suchmaschinen aus den USA, ohne dass die Firmen in Deutschland Mitarbeiter in einer Niederlassung beschäftigen müssten; erwirtschaften die Unternehmen Milliardengewinne, kommt davon nichts in deutschen Finanzämtern an. Manche Firmen nutzen aggressiv Steuerschlupflöcher. Beides will die Reform angehen.

Koordiniert wird sie von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), ein Thinktank der Industrienationen in Paris. Dort weiß man: Die Gespräche sind an einem sensiblen Punkt. "Wir erleben Turbulenzen in den Verhandlungen in einer Phase, in der wir diese auch erwartet haben", sagt Achim Pross, Chef für internationale Zusammenarbeit am Zentrum für Steuerpolitik. "Auf der Zielgeraden wird es immer enger."

Über der Reform schwebt eine große Frage: Bekommen die USA eine Ausnahme? Washington hat per Brief einen "sicheren Hafen" für heimische Konzerne gefordert. US-Unternehmen sollen selbst entscheiden dürfen, ob sie sich den neuen Regeln anschließen oder nicht. Ohne die USA ist die Reform allerdings keine globale mehr. Es sind vor allem US-Digitalkonzerne, die im Fokus stehen, weil sie im Ausland oft kaum Steuern zahlen. Machen sie nicht mit, ist offen, ob weitere Regierungen aussteigen. "Wenn die USA mit der Sonderregel durchkommen, wird es wohl keine Einigung geben", sagt Deborah Schanz, die das Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München leitet. Eine Ausnahme für US-Konzerne würde die Grundidee infrage stellen, weltweit einheitliche Regeln zu schaffen.

Die OECD gibt sich dennoch zuversichtlich. "Alle beteiligten Staaten haben ein Interesse daran, dass ein Kompromiss zustande kommt - einschließlich der USA", sagt Pross. "Wir sind weiterhin optimistisch, dass es eine Einigung geben wird."

Am Ende geht es um eine Art Reichensteuer für bekannte Konzerne

Allerdings gibt es auch sonst noch viele ungeklärte Details. Die OECD will alle "konsumenten-ausgerichteten" Konzerne einbeziehen, nicht nur Tech-Konzerne. Dagegen sollen Unternehmen, die nur Geschäfte mit anderen Firmen machen, nicht erfasst werden. Diese Unterscheidung ist für Steuerexpertin Schanz nicht nachvollziehbar. Dienstleistungen für Firmen würden zunehmend digitalisiert und grenzüberschreitend nachgefragt. Zudem sei unklar, welches Unternehmen eigentlich "konsumenten-ausgerichtet" arbeite, wie der Begriff also definiert wird.

Umstritten sind auch wichtige technische Details, die am Ende entscheiden, welches Land wie viel Steuereinnahmen gewinnt und verliert. Im Gespräch ist, Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro einzubeziehen. Gewinn soll nur besteuert werden, wenn er eine gewisse Schwelle überschreitet. Am Ende geht es also um eine Art Reichensteuer für bekannte Konzerne. Diese vielen Punkte können in den Verhandlungen aber auch ein Vorteil sein: "Die Reform wird am Ende durch Details bestimmt, bei denen kann man den USA weit entgegenkommen", sagt Schanz.

Im Juli, so der offizielle Zeitplan der OECD, sollen die Gespräche weitergehen. Und Ende 2020 abgeschlossen werden - erfolgreich.

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SZ vom 21.02.2020
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