Süddeutsche Zeitung

Ryanair:Flieger gebucht und im Bus gelandet

Lesezeit: 2 min

Von Sven Lüüs

Das Ehepaar Kyriakidou wollte eigentlich am Freitagabend wieder zuhause in Thessaloniki sein. Ihr Ryanair-Flugzeug hob um 16.30 Uhr in London ab und sollte noch vor 22 Uhr in Thessaloniki wieder landen. Dazu kam es nicht, die Heimreise der Kyriakidous dauerte länger als einen Tag, wie ihre Tochter erzählt. Medienberichten zufolge war es in Thessaloniki so neblig, dass es Ryanair zu gefährlich war, dort zu landen. Der Flieger drehte noch vor der griechischen Grenze wieder ab. Der nächste Flughafen wäre eigentlich der in der mazedonischen Hauptstadt Skopje gewesen. Doch das Ryanair-Flugzeug flog weiter, an weiteren Flughäfen vorbei, wieder zurück in den Norden, bis ins rumänische Timișoara. Erst am dortigen Flughafen landete es.

783 Kilometer vom eigentlichen Ziel der Passagiere entfernt. Warum landete das Flugzeug erst dort? Ryanair hat diese Frage bisher nicht beantwortet. Es ist aber davon auszugehen, dass die irische Fluggesellschaft ihre Gründe hatte. Denn Kerosin kostet Geld. Und Ryanair ist ja bekannt dafür, immer Geld zu sparen. Manche Flughäfen seien eben geeigneter als andere, sagt Luftfahrtberater Cord Schellenberg. Das kann am Wetter liegen: Wenn es in Thessaloniki zu neblig war, dann war es das vielleicht auch in Skopje. Manchmal steht auch an einem bestimmten Flughafen eine Ersatz-Crew bereit, sodass das Flugzeug schon nach einem Crewwechsel weiterfliegen kann - ohne auf die der Crew vorgeschriebenen Ruhezeiten achten zu müssen. Dass Ryanair bis nach Timișoara geflogen ist, sei also gar nicht verwerflich. "Dann kann man sich als Fluggesellschaft schlau anstellen, oder man kann sich dumm anstellen", sagt Schellenberg.

Die Ryanair-Crew flieht, die Passagiere sind ratlos - und werden auch noch verscheucht

"Ryanair ist Betrug. 201 Menschen vom Flug FR8582 verbringen die Nacht in einem alten Flughafen ohne Essen und Betreuung", schreibt Christina Kyriakidou, die Tochter des Ehepaares, das an Bord des Fliegers war. Nachdem das Flugzeug landete, mussten die Passagiere noch einige Zeit im Flugzeug ausharren. Das Flugpersonal habe den Passagieren einen Ersatzflug nach Thessaloniki versprochen, so Kyriakidou zur SZ. Dann seien Piloten und Flugbegleiter einfach verschwunden. Es kam noch besser: Die Crew ließ die ratlosen Ryanair-Passagiere zurück - die dann auch noch von der Flughafenpolizei vom Flughafen vertrieben wurden. "Ryanair muss das so schnell wie möglich lösen", schrieb Kyriakidou wenig später auf Twitter. Erst nach vier Stunden bot die Flughafenpolizei den Ryanair-Passagieren eine Möglichkeit an, nach Thessaloniki zu kommen: eine 18-stündige Busfahrt. Etwas mehr als die Hälfte der Passagiere fuhr mit. Die Fahrt hat so lange gedauert, weil die ganze Zeit der gleiche Fahrer am Steuer saß. Der habe dann natürlich auch Pausen machen müssen, sagt Kyriakidou. Außerdem sei einer der beiden Busse nicht beheizt gewesen - trotz Außentemperaturen um den Gefrierpunkt.

Die anderen Passagiere lehnten Ryanairs Busfahrt ab, blieben stattdessen am Flughafen in Timișoara - und wurden sogar von einem Flugzeug abgeholt. Dieses hatte aber nicht Ryanair zur Verfügung gestellt, sondern die griechische Regierung.

Um die eigenen Garantien gegenüber den Fahrgästen zu erfüllen, reicht es bei Ryanair schon aus, wenn die Fluggäste irgendwann an ihr Ziel kommen, ohne zuzahlen zu müssen. Mit dem Bus-Angebot konnte Ryanair die Fluggäste also alleine lassen.

Dass ein Flugzeug einen Flughafen nicht anfliegen kann und sich Alternativen suchen muss, passiere täglich, sagt Schellenberg. Vor allem jetzt im Winter in Europa sei das ziemlich normal. Ryanair müsste eigentlich darauf vorbereitet sein, denn die Fluggesellschaft fliegt vor allem in Europa, wo es schnell mal zu flugwidrigem Wetter kommt.

Das betrifft natürlich auch andere Fluggesellschaften: Am vergangenen Samstag sind Reisende, die nach Innsbruck fliegen wollten, unter anderem in Salzburg und Wien gelandet. Denn der Innsbrucker Flughafen war wegen starken Schneefalls gesperrt. Wien ist immerhin fast 500 Kilometer von Innsbruck entfernt. Auch andere Fluggesellschaften verfehlen also ihr Ziel, wenn es nicht anders geht. Aber nicht so deutlich wie Ryanair.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4278063
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.