Süddeutsche Zeitung

Rohstoffe:Angst vor der Kobalt-Krise

Lesezeit: 2 min

Das Metall erhöht die Kapazität von Akkus. Die Nachfrage ist groß, der Preis explodiert. Die Versorgung ist gefährdet, warnen Experten.

Von Marvin Strathmann, Hamburg

Smartphones, Kameras, Elektroautos: Sie alle benötigen Strom, können aber nicht dauernd an der Steckdose hängen. Akkus sorgen für Kabelfreiheit, doch ihre Bestandteile sind zum Teil nur schwer zu bekommen. Vor allem das Metall Kobalt könnte knapp werden, warnt nun die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).

Kobalt wird in der Regel nicht direkt gefördert, sondern entsteht als Nebenprodukt, wenn Nickel oder Kupfer hergestellt werden. Das Metall ist ein guter Strom- und Wärmeleiter und wird für die Kathoden von Lithium-Ionen-Akkus verwendet, das Gegenstück zur Anode. Kobalt kann die Kapazität eines Akkus erhöhen.

Im April 2016 war eine Tonne des Metalls noch für etwa 23 000 Dollar zu haben. Mittlerweile hat sich der Preis vervierfacht, und die Tonne Kobalt kostet mehr als 90 000 Dollar, sagt die Bundesanstalt. Verzögerungen beim Ausbau von Bergwerken und Weiterverarbeitung "können zu erheblichen Problemen in der Versorgung führen", sagte der Kobalt-Experte des BGR, Siyamend Al Barazi.

Die große Nachfrage komme vor allem aus der Autoindustrie: "Wir gehen davon aus, dass sich, getrieben durch die Elektromobilität, die Nachfrage nach Kobalt bis 2026 auf rund 225 000 Tonnen verdoppeln wird", sagt Al Barazi. "Im Akku eines Elektroautos stecken etwa zwölf Kilogramm Kobalt", sagt Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Alternativen zu Kobalt sieht er vorerst nicht: "In den nächsten Jahren bleibt Kobalt für die Autoindustrie unersetzlich." Auch Bratzel warnt vor einer Kobalt-Knappheit, wenn die Produktion nicht ausgeweitet werden kann. "Wenn in der Autoindustrie Kobalt knapp wird, sinkt der Preis von Elektroautos nicht wie erhofft."

Helfen könnten Strategien von Herstellern, Akkus mit geringerer Kapazität und damit auch niedrigerer Reichweite anzubieten. Das ginge jedoch nur, "wenn dichte Ladeinfrastrukturen vorhanden sind", sagt Bratzel. Das könne die Energiewende auf den Straßen beeinträchtigen. "In Zukunft könnte es sich durchsetzen, Elektroautos nur regional, etwa in der Stadt, zu verwenden, während auf langen Strecken der Benziner zum Einsatz kommt."

Der Großteil des benötigten Kobalts wird derzeit in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut. "Das zentralafrikanische Land ist heute mit mehr als 60 Prozent Marktanteil der größte Kobaltproduzent der Welt. Auch die größten Projekte, die derzeit neu entwickelt werden, befinden sich alle im Kongo", sagt Geologe Al Barazi. Er schätzt, dass der Marktanteil des Kongo bis 2026 auf 70 Prozent steigen wird. Auch die Hälfte der weltweiten Reserven von sieben Millionen Tonnen liegt dort.

Mitarbeiter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sind schon länger in dem Land präsent. Vor zehn Jahren haben sie begonnen, ein Zertifizierungssystem für verantwortungsvolle Rohstofflieferketten aufzubauen. Dieses Wissen solle genutzt werden, "um mit unseren Marktanalysen die Transparenz im Kobaltmarkt zu erhöhen", sagt Ralph Watzel, der Präsident des BGR.

Die Bedingungen, unter denen im Kongo abgebaut wird, sind teils brutal. Amnesty International beklagt Kinderarbeit, Unfälle und Gesundheitsrisiken in den Minen des Landes. In einem umfangreichen Kobalt-Report wiesen die Menschenrechtler bereits 2016 darauf hin, dass die Minenarbeiter oft ohne ausreichenden Schutz mit Kobalt arbeiten würden - Handschuhe oder Masken würden fehlen. Zudem sollen Kinder bis zu zwölf Stunden pro Tag in den Minen arbeiten, wofür sie ein bis zwei Dollar erhalten.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2018
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