Süddeutsche Zeitung

Rentenalter:Nein zur Altersdebatte

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Sozialminister Heil will kein höheres Rentenalter. Nötig werden könnte es trotzdem, spätestens mit den geburtenstarken Jahrgängen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

- Der neue Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) legt sich fest: Mit ihm werde es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zwar wäre das Gegenteil eine Überraschung gewesen - ein höheres Rentenalter steht nicht im Koalitionsvertrag, und derzeit wird noch die Rente mit 67 eingeführt. Heil macht dennoch klar, dass er sich auf eine Altersdebatte gar nicht erst einlassen will.

Relevant werde die Frage eines höheren Renteneintrittsalters etwa vom Jahr 2030 an, sagt Peter Haan, Abteilungsleiter beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Dann wird es großen Druck im Rentensystem geben", warnt er mit Blick auf die geburtenstarken Jahrgänge, die vom Jahr 2025 an vermehrt in Rente gehen werden. Ob aber dann das Rentenalter angehoben oder zunächst nur mehr Flexibilität beim Renteneintritt ermöglicht werde, sei nicht absehbar. Im Ergebnis jedenfalls müsse das effektive Rentenalter, zu dem die Deutschen wirklich in den Ruhestand gehen, steigen.

2016 gingen Männer im Durchschnitt mit 63,9 Jahren in Rente, Frauen mit 64,2 Jahren. Das offizielle "Rentenzugangsalter", mit dem man ohne Abschläge in den Ruhestand wechseln kann, lag dagegen in der ersten Jahreshälfte 2016 bei 65 Jahren und vier Monaten, in der zweiten bei 65 Jahren und fünf Monaten. Derzeit sind es 65 Jahre und sechs Monate, und erst 2031 wird die 2007 beschlossene "Rente mit 67" endgültig für alle Neurentner gelten. Dass eine Regierung diese Altersgrenze vorher noch mal antastet, ist eher unwahrscheinlich.

Carsten Linnemann (CDU), Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, setzt ohnehin auf einen anderen Weg. "Bevor jetzt wieder über eine Rente mit 69, 70 oder gar 75 schwadroniert wird, sollte man erst mal zusehen, dass die Rente mit 67 klappt", sagt er. "Ich baue jedenfalls auf die Flexi-Rente und damit auf Maßnahmen, die längeres Arbeiten attraktiver machen." Die Flexi-Rente hatte die vorherige schwarz-rote Bundesregierung 2016 beschlossen, als eine Art Ausgleich zur ebenfalls neu eingeführten Rente mit 63 für langjährige Beitragszahler. Ziel ist ein flexibler Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand. Wer länger als nur bis zum Rentenalter arbeitet, hat seither attraktivere Zuverdienstmöglichkeiten.

Auch der rentenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Johannes Vogel, gibt mehr Flexibilität den Vorzug vor starren Altersgrenzen. "Wir müssen die veraltete Diskussion um ein Jahr mehr oder weniger endlich hinter uns lassen", sagt er. Es sei "nicht mehr zeitgemäß", wenn Politiker entschieden, wann die Menschen in Rente zu gehen hätten. Ein flexibles Renteneintrittsalter passe besser dazu, "dass wir alle älter werden und länger fit bleiben" und auch zu den vielfältigeren Biografien und Berufen.

Der rentenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Markus Kurth, warnt zwar vor "pauschalen Absagen" bei der Frage des Renteneintritts. "Richtig ist aber auch, dass wir den zweiten nicht vor dem ersten Schritt machen dürfen. Denn viel zu viele Menschen kommen mit der Anhebung der Altersgrenze nicht mit." Erst wenn die heutigen Probleme beim Rentenübergang überzeugend gelöst seien, könne über eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit diskutiert werden.

Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft warnt aber davor, zu spät in die Debatte einzusteigen. Es gebe nur drei Stellschrauben: höhere Beiträge, noch niedrigere Renten und längeres Arbeiten. Sollte die von der Koalition geplante Rentenkommission 2020 doch zu dem Schluss kommen, dass nach 2031 eine Anschlussregelung für die Rente mit 67 notwendig sei, verliere die Regierung nur Zeit für die Weichenstellung, wenn sie diesen Schritt heute kategorisch ausschließe. "Es geht um planbare Perspektiven", sagt Pimpertz. Sonst gehe ein Vierzigjähriger bei seiner Alterssicherung von einer Rente mit 63 aus - und müsse bis 70 arbeiten.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2018
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