Süddeutsche Zeitung

Renminbi:Trommeln für den Handel mit China

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Die Renminbi-Plattform in Frankfurt wird bislang kaum genutzt. Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel fürchtet, dass Unternehmen eine Chance entgeht.

Von Harald Freiberger

Vor zwei Jahren hatte Joachim Nagel, der als Bundesbank-Vorstand für Finanzmärkte zuständig ist, Besuch aus London. Lobbyisten des britischen Finanzplatzes erzählten ihm, was sie mit der chinesischen Währung Renminbi vorhaben, und dann stellten sie ihm eine Frage, die ihn stutzig machte: Ob die Bundesbank nicht helfen könne, für sie den Handel zwischen Euro und Renminbi zu organisieren - wohlgemerkt von London aus, wo ja das Pfund als Währung gilt. Er hielt das damals für ziemlich grotesk.

Doch die Frage machte Nagel klar, dass Frankfurt eine eigene Drehscheibe für den immer wichtiger werdenden Handel zwischen Euro und Renminbi braucht. Zusammen mit der Stadt Frankfurt und den Wirtschaftsministerien von Bund und Land Hessen machte sich die Bundesbank daran, eine solche Stelle zu organisieren. Wichtigster Baustein war eine chinesische Bank, die in Frankfurt für das sogenannte Clearing sorgt, also die Geschäfte in Renminbi abwickelt und über die chinesische Notenbank unbegrenzt Zugang zu der Währung hat. Diese Clearingstelle ist die Bank of China, Niederlassung Frankfurt. Sie nahm im November 2014 ihre Arbeit auf.

Die Organisatoren feierten den Start als "wirklich wichtigen Tag für Frankfurt" und als "Meilenstein für den Finanzplatz". Der Schritt bedeutet, dass Unternehmen und Banken in Frankfurt ein Konto anlegen können, das in Renminbi geführt wird. Dadurch wird es ihnen möglich, auf direktem Wege mit ihren chinesischen Partnern Geschäfte abzuwickeln. Vorher ging dies nur über Handelsplätze in Asien, meist über Hongkong. Außerdem waren Euro und Renminbi nicht direkt tauschbar, sondern nur über Dollar. Das heißt, Firmen hatten ein zusätzliches Wechselkursrisiko, das nun wegfällt. Das senkt auch die Kosten. Am Finanzplatz Frankfurt hält man Einsparungen von einer halben Milliarde Euro jährlich für möglich. Zu den niedrigeren Transaktionskosten kommen eine bessere Absicherung der Kurse und ein besserer Zugang zum Markt.

Nach einem guten halben Jahr zieht Nagel eine erste Zwischenbilanz. Er sei "vorsichtig optimistisch", sagte er der SZ. Positiv habe sich besonders das Volumen der in Renminbi ausgegebenen Wertpapiere entwickelt, auch "Goethe-Bonds" genannt; es vervierfachte sich auf 21,7 Milliarden Renminbi (3,2 Milliarden Euro). Entwicklungspotenzial sieht Nagel dagegen bei anderen Themen, die durch die Einrichtung der Clearingbank möglich sind: Einlagen von Banken in Renminbi, Kredite, die deutsche Institute in Renminbi vergeben und Finanzprodukte, die in der chinesischen Währung ausgegeben werden. "Insbesondere für Mittelständler sind diese Angebote wegen der niedrigeren Kosten attraktiv", sagt Nagel.

Offensichtlich haben Unternehmen und Banken das Renminbi-Geschäft noch nicht richtig angenommen - vielleicht, weil sie die neuen Möglichkeiten nicht kennen, vielleicht auch, weil sie gar keinen Bedarf haben. "Wir haben das Projekt angestoßen, nun liegt der Ball im Feld der Finanzindustrie, um weitere Angebote zu schaffen, und der Realwirtschaft, diese zu nutzen", sagt Nagel. Er glaubt, dass es eine Zeit lang dauern könnte, bis die neuen Möglichkeiten genutzt werden. Grundsätzlich aber sieht er großen Bedarf. Ein Beispiel ist die Absicherung von Währungsrisiken: Banken können Derivate herausgeben, mit denen Unternehmen sich einen bestimmten Renminbi-Kurs gegenüber dem Euro über drei oder sechs Monate garantieren lassen. Solche Absicherungsgeschäfte sind zwischen Dollar und Euro weit verbreitet.

"Der Renminbi ist auf dem Weg zur Weltwährung. Immer mehr Handel wird künftig in der Währung abgewickelt werden", sagt Nagel. "Finanzinstitute, die bereits heute ein breites Renminbi-Produktportfolio anbieten, haben einen Wettbewerbsvorteil in einem wachsenden Marktsegment." Das sei für Banken gerade in schwierigen Zeiten wie diesen wichtig, in denen viele auf der Suche nach einem Geschäftsmodell sind, weil Regulierung und Niedrigzinsphase auf die Gewinne drücken. Umgekehrt könnten Banken, die zu spät auf den Zug aufspringen, schnell den Anschluss verlieren.

Der Renminbi war über Jahrzehnte von der chinesischen Regierung streng reguliert und nicht frei handelbar. In den vergangenen Jahren aber war Chinas Notenbank bestrebt, ihre Wirtschaft und auch ihre Währung für den Weltmarkt zu öffnen. Sie schaffte immer mehr Beschränkungen im Handel mit Renminbi ab. Ein Resultat davon sind auch die Clearingstellen, die es inzwischen in mehreren Teilen der Welt gibt. In Europa sind es auch London, Luxemburg und Paris. Der größte Umschlagsplatz für Chinas Währung ist London, das traditionell im Devisenhandel stark ist.

"Frankfurt hat den Vorteil, dass der Finanzplatz in einer der weltweit exportstärksten Volkswirtschaften mit sehr erfolgreichen Unternehmen liegt", sagt der Bundesbank-Vorstand Nagel. Ein Fünftel des Exports deutscher Unternehmen in Schwellenländer fließt bereits nach China. Mit der Clearingstelle können die Unternehmen ihre Geschäfte in derselben Zeitzone, derselben Rechtsordnung und derselben Sprache abwickeln. Politik, Börse und Bundesbank erhoffen sich dadurch noch mehr Handel zwischen beiden Ländern. Ihre Handelsbilanz ist fast ausgeglichen, Importe und Exporte betragen je rund 75 Milliarden Euro im Jahr. "Deutschland und China sind bereits heute eng verflochten. Das könnte sich in einer zunehmenden Vernetzung der Finanzmärkte beider Länder widerspiegeln", sagt Nagel.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2015
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