Süddeutsche Zeitung

Reformpaket:Der Kampf um Frankreichs Arbeitsmarktreform hat begonnen

Lesezeit: 2 min

Von Christian Wernicke, Paris

Gegen massive Widerstände aus den eigenen Reihen hat Frankreichs Präsident François Hollande den Kampf für eine Schlüsselreform seiner Präsidentschaft begonnen. Der Sozialist verteidigte am Dienstag die geplante Liberalisierung des Arbeitsrechts als "Text des Fortschritts". Die Nationalversammlung begann ihre zweiwöchigen Beratungen über den Gesetzentwurf, der den Kündigungsschutz lockern, mehr Ausnahmen von der 35-Stunden-Woche erlauben und im Ergebnis die Gewerkschaften schwächen würde. Bisher fehlt der Regierung die parlamentarische Mehrheit für ihr Vorhaben.

Hollande lobte seine Reform als "einen dynamischen und gerechten Kompromiss". Während einer Grundsatzrede in Paris zum Zustand der Linken sagte Hollande, sein Vorstoß werde die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern in Frankreichs Betrieben "tief greifend verändern". Das Gesetz sieht vor, künftig mehr Entscheidungen etwa über die Arbeitszeit per Abstimmung in den Unternehmen zu treffen. Firmen, die Absatzeinbrüche erleben, sollen leichter als bisher Entlassungen aussprechen können.

Sinkt die Arbeitslosenquote nicht, will Hollande nicht erneut kandidieren

Der Präsident will mit seiner Reform vor allem jungen Arbeitnehmern den Berufseinstieg erleichtern. Ökonomen von EU, OECD und IWF bemängelten wiederholt, Frankreichs starres Arbeitsrecht behindere mehr Beschäftigung. Trotz verbesserter Wirtschaftslage in Europa, niedriger Zinsen und billiger Energiepreise lahmt Frankreichs Arbeitsmarkt: 3,5 Millionen Franzosen (zehn Prozent) sind ohne Job, jeder vierte Jugendliche bleibt bisher ohne Beschäftigung.

Erfolg oder Scheitern der Reform sind mitentscheidend für Hollandes politisches Schicksal: Der unpopuläre Staatschef hat angekündigt, ohne eine Senkung der Arbeitslosenquote werde er in einem Jahr - bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2017 - nicht erneut kandidieren.

Das Parlament will in nur zwei Wochen über 5000 Änderungsanträge beraten

Unmittelbar vor der Parlamentsdebatte hatte der sozialistische Premierminister Manuel Valls am Dienstag eingeräumt, seine Regierung habe anfangs "Fehler" bei der Reform begangen. Valls betonte jedoch, seither habe man "Fortschritte ge-macht". Tatsächlich hatte die Regierung unter dem Eindruck massiver, seit zehn Wochen währender Proteste ihre Idee aufgegeben, etwa Abfindungen für gekündigte Arbeitnehmer durch die Einführung von Höchstgrenzen zu deckeln. Auch soll der Kündigungsschutz weniger gelockert werden, als es Valls und sein sozialliberaler Wirtschaftsminister Emmanuel Macron ursprünglich wollten. Dennoch verlangten linke Gewerkschaften und Schülerverbände am Dienstag wieder den "ersatzlosen Rückzug" der Reformpläne.

Die sozialistische Regierung muss fürchten, dass dreißig bis fünfzig Rebellen der sozialistischen Parlamentsfraktion sich der Reform verweigern. Das Parlament will bis zum 17. Mai über mehr als 5000 Änderungsanträge beraten. Sprecher der konservativen Opposition lehnten es ab, der Regierung aus der Klemme zu helfen: Valls und Hollande, argumentierte der republikanische Fraktionschef Christian Jacobs, hätten die Reform so sehr verwässert, dass ihr Gesetz "überflüssig" sei.

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SZ vom 04.05.2016
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