Süddeutsche Zeitung

Warenhauskette:Verdi kritisiert Real-Verkauf als "desaströs"

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Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Die Gewerkschaft Verdi hat den Verkauf der Warenhauskette Real mit scharfen Worten kritisiert. "Die Entscheidung ist gefallen, doch für die Beschäftigten herrscht nach wie vor große Unsicherheit", sagt Stefanie Nutzenberger, die im Verdi-Bundesvorstand für den Handel verantwortlich ist. Real hat etwa 34 000 Beschäftigte, "die nicht wissen, ob sie in einem Jahr noch Arbeit haben", so Nutzenberger. "Das ist eine desaströse Bilanz des Verkaufsprozesses."

Der Handelskonzern Metro hatte Mitte Februar beschlossen, die kriselnde Kette mit 276 großen Supermärkten an ein Konsortium um den russischen Finanzinvestor SCP zu verkaufen. Dem Vertragsabschluss war ein monatelanges Hin und Her vorausgegangen: Erst wollte Metro Real am Stück abgeben, dann verhandelte der Konzern exklusiv mit dem Investor Redos und explizit nicht mit der Gruppe um SCP - um sich schließlich genau umgekehrt zu entscheiden. "Real hat immer mehr an Wert verloren und musste billiger verkauft werden", sagt Nutzenberger. Metro rechnet nun noch mit einem Mittelzufluss von etwa 300 Millionen Euro.

Metro-Chef Olaf Koch hatte den Verkauf von Real kürzlich in der Hauptversammlung als "schmerzhafte Weichenstellung" bezeichnet. Allerdings habe der Konzern mit Real alleine im vergangenen Jahr gut 250 Millionen Euro an Geld verloren. "Wir können dieses Geschäft nicht weiter tragen", sagte der Vorstandschef. Immerhin sei bei Standort-Übergaben sichergestellt, dass Beschäftigte von Real mit ihren Verträgen zu den neuen Eigentümern übergingen. Und wer keine Tätigkeit finde, erhalte Abfindungen, die "schon ganz klar vordefiniert" seien, so Koch.

Real leidet seit Jahren unter dem scharfen Wettbewerb im Einzelhandel, auch durch Online-Konzerne, und erwirtschaftet selbst vor Zinsen und Steuern kaum noch Gewinn. Die Kette droht nach dem Verkauf in Einzelteile zu zerfallen; Konkurrenten wie Kaufland haben zwar Interesse an einzelnen Filialpaketen bekundet, aber nicht an Real als Ganzes.

Verdi befürchtet nun, dass künftige Eigentümer Beschäftigte kündigen könnten, etwa wenn sie die Warenhäuser über einen längeren Zeitraum umbauen, die großen Verkaufsflächen in einzelne Parzellen zerlegen oder gar schließen. Diese Erfahrung habe man etwa leidvoll bei der Baumarktkette Praktiker gemacht, sagt Nutzenberger. Häufig müssten sich in solchen Fällen selbst langjährige Beschäftigte neu bewerben, erhielten mitunter nur befristete Verträge oder würden tariflich schlechter eingruppiert. "Das möchten wir gerne verhindern", so die Gewerkschafterin.

"Ein Abtauchen ist hier völlig unangemessen"

Die Gewerkschaft will nun versuchen, Sozialtarifverträge für den Übergang auszuhandeln - mit möglichst langfristigen Sicherheiten für die Beschäftigten. Ansprechpartner sei hierfür zunächst Real; mittelfristig dürfte Verdi aber auch mit künftigen Eigentümern verhandeln. "Wir erwarten, dass die das tarifvertraglich mit uns gestalten", sagt Orhan Akman, der die Verdi-Bundesfachgruppe Einzelhandel leitet.

Die Gewerkschaft kritisiert zudem, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium bislang nicht mit dem Verkauf von Real beschäftigt habe. "Die sind sich null ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst", kritisiert Nutzenberger. "Ein Abtauchen ist hier völlig unangemessen." Das Bundeswirtschaftsministerium könne die handelnden Personen nun an einen Tisch holen, regt die Gewerkschaft an.

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