Süddeutsche Zeitung

Einzelhandel:Was die Real-Zerschlagung bedeutet

Lesezeit: 3 min

Von Michael Kläsgen

Am Mittwochabend konnte Metro endlich einen konkreten Kaufinteressenten für die 279 Real-Märkte präsentieren. Acht Monate durchaus nervenaufreibender Verhandlungen waren da schon verstrichen. Und wie reagiert die Börse? Sie straft die Aktie des Handelskonzerns mit einem Minus von zeitweise mehr als sechs Prozent ab, erholt sich etwas und sackt wieder ab. So als ob die Anleger nicht genau wüssten, was sie davon halten sollen, dass die SB-Warenhauskette an den eher unbekannten Hamburger Immobilieninvestor Redos gehen soll.

Einige Gründe für die Unsicherheit nennt Metro-Chef Olaf Koch am Donnerstag in einer Telefonkonferenz: "Die Anzahl der Märkte wird sich verändern", prophezeit er. Also schrumpfen. Aber um wie viele? Koch weiß es selber nicht. Das muss sich zeigen. "In den kommenden zwölf Wochen erfolgt die Ausgestaltung der Abgaben", sagt er. Soll heißen: Metro und Redos werden in den kommenden drei Monaten sehen, für welche der 279 Märkte sie Kaufinteressenten haben, welche Real maximal drei Jahre selbst weiter betreiben kann und welche ohne Zukunftsaussicht bleiben. Die werden voraussichtlich schließen.

Spätestens bis zum Sommer werden dann einige der insgesamt 34 000 Real-Mitarbeiter wissen, was ihnen blüht. Seit Jahren leben sie schon in Ungewissheit. Daran wird sich voraussichtlich auch nach dem Sommer nichts ändern. Denn wenn Redos die Märkte tatsächlich übernimmt, wird der Immobilieninvestor eine noch nicht bekannte Zahl davon an Einzelhändler weiterreichen. Wie viele davon beispielsweise Edeka, Kaufland, Aldi oder Rewe erhalten, wird eine Frage sein, bei der das Kartellamt ein Wort mitreden wird. Denn der Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland wird schon heute von den vier Konzernen beherrscht, was Wettbewerbsfragen aufwirft.

Eine kartellrechtliche Prüfung wird dauern, und selbst wenn einzelne Real-Märkte von einem Lebensmitteleinzelhändler übernommen werden sollten, wissen die Mitarbeiter immer noch nicht, zu welchen Konditionen sie weiter beschäftigt werden würden, wenn überhaupt. Zwar sagt Koch, es spiele bei der Frage, an wen Real verkauft wird, eine Rolle, "wie mit Menschen umgegangen wird". Aber er fügt auch hinzu: "Es wird zu strukturellen Anpassungen kommen." Standort-Schließungen und Stellenabbau sind also programmiert, eine Zerschlagung ist nicht vom Tisch.

"Vorabsprachen", wer was übernehmen, ob Edeka die kleineren Real-Märkte, Kaufland hingegen die größeren erhalten könnte, ob Pakete geschnürt oder einzelne Märkte meistbietend versteigert werden, zu all diesen Fragen gebe es im Moment noch keine Antworten. Das verhandele man mit Redos "ergebnisoffen", sagt Koch, "keiner ist ausgeschlossen". Auch nicht Kaufland, die SB-Warenhauskette der Schwarz-Gruppe, die sich als Teil eines Konsortiums ebenfalls um die Real-Märkte beworben hatte, nun aber einen Rückschlag erleidet. Aus dem Spiel ist Kaufland damit aber nicht. Die Schwarz-Gruppe, davon darf man ausgehen, wird ihre Chancen wahren, möglichst viele der attraktivsten Real-Märkte zu ergattern.

Koch wertet es jedenfalls "nicht als negatives Zeichen", dass Schwarz-Chef Klaus Gehrig offen bekundet hatte, "mindestens 100 Real-Märkte" übernehmen zu wollen.

Zu hoher Verlust: Metro musste Wert von Real nach unten korrigieren

Die Notwendigkeit für "strukturelle Anpassungen" begründet Koch im Wesentlichen mit den schlechten Zahlen, die er am Donnerstag präsentierte. "Es muss was passieren, dafür sprechen auch die Zahlen von heute", sagt er. Da Metro noch einmal kräftig den Wert von Real nach unten korrigieren musste, nämlich um 385 Millionen Euro, stieg der Verlust von Metro im nun abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal auf 459 Millionen Euro. Aber selbst ohne Abschreibungen verbuchte Metro im laufenden Geschäft einen Verlust.

Übernimmt sich Redos nicht? Die Firma hält sich zugute, ein Know-how dafür entwickelt zu haben, unattraktiv gewordene Standorte wiederzubeleben. Das bislang größte Revitalisierungsprojekt des 2004 gegründeten Unternehmens war bislang nach eigenen Angaben der Kaufpark Eiche in Ahrensfelde. Das in die Jahre gekommene Einkaufszentrum verwandelte Redos in ein Shopping-Center, in den sich Restaurants, Veranstalter und Marken wie H&M oder Decathlon einmieteten. So könnte aus Redos-Sicht die Blaupause für einige Real-Märkte aussehen. Allerdings: Derzeit hat die Firma 74 Standorte im Portfolio, 279 Real-Märkte sind fast vier Mal so viel. Dass Redos einen Großteil davon wird abgeben müssen, liegt auf der Hand.

Nur welche? Fragen über Fragen. Nicht nur auf Seiten der Anleger. Koch ist dennoch wie immer zuversichtlich. Die Finanzmärkte würden positiv reagieren, wenn der Vertrag erst mal unterschrieben ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4439985
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.