Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Skeptisch beim Weltraumbahnhof

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Die Bundesregierung findet offenbar, dass es genügend Startplätze für Kleinraketen gibt, will aber einen deutschen Standort weiterhin prüfen.

Von Dieter Sürig, München

Es ist fast ein Jahr her, als der Industrieverband BDI bei einem Weltraumkongress anregte, doch einen deutschen Startplatz für Kleinraketen zu bauen. Zumal es drei deutsche Start-ups gibt, die so genannte Microlauncher entwickeln. Die wollen schon in zwei Jahren kostengünstig Satelliten ins All bringen und müssen irgendwo starten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) signalisierte jedenfalls, den Vorschlag prüfen zu wollen. Sein Ministerium scheint sich nach zwölf Monaten jedoch immer noch in dieser Phase zu befinden. Es hat sich nun erstmals offiziell ausführlich zu dem Vorhaben geäußert, doch Begeisterung schaut anders aus - zumal es laut Ministerium Alternativen gibt.

Anlass ist eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion zu einem möglichen Startplatz in der Nordsee, wie zuletzt diskutiert, oder anderswo. Ein Fazit des Ministeriums lautet jedenfalls, dass deutsche Unternehmen und Forschungsinstitutionen "nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung nicht grundsätzlich auf einen Startplatz für Microlauncher in Deutschland angewiesen" seien. Angesichts alternativer Pläne für Startplätze in Nordeuropa und auf den Azoren sowie des europäischen Startplatzes in Kourou/Französisch-Guyana sei es zumindest bei institutionellen Nutzern fraglich, "ob dieses Angebot genutzt werden würde". Die Prüfung sei allerdings noch nicht abgeschlossen. Andererseits hat sich der Raumfahrt-Koordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek, am Dienstag bei einem BDI-Podium erneut für einen deutschen Startplatz ausgesprochen.

Sollte die Regierung letztlich einen eigenen Startplatz wollen, so würde er wohl am Flughafen Rostock-Laage liegen. Der bringe einer Studie des Zentrums für Luft- und Raumfahrt zufolge "die Grundvoraussetzungen zur Einrichtung eines Weltraumflughafens mit", heißt es in der Antwort des Ministeriums. Allerdings für einen so genannten Airlaunch, also den Start von einem Flugzeug aus. Der Bund prüft gerade auch, inwiefern insbesondere ein Startplatz in der Nordsee genehmigungsfähig und wirtschaftlich wäre.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben, kritisiert die Antwort als Hinhaltetaktik. "Die Bundesregierung scheint keinen Bedarf für einen Weltraumbahnhof zu sehen und flüchtet sich in Ausreden und halbgare Aussagen", sagt er. Eine konkretere Stellungnahme erwartet er erst nach der Bundestagswahl, also wohl frühestens Anfang 2022.

Eine Nordsee-Plattform würde bis zu 30 Millionen Euro kosten

Der BDI hatte Ende August ein Konzept für eine mobile Startplattform in der Nordsee vorgelegt. Sie würde demnach etwa 460 Kilometer vor Bremerhaven liegen, rund 22,2 bis knapp 30 Millionen Euro kosten und müsste mit Steuermitteln finanziert werden. Die Plattform könnte letztlich von einem Privatunternehmen betrieben werden, ein Raketenstart würde etwa 600 000 Euro kosten. "Eine deutsche Startplattform würde die Voraussetzungen für einen Wettbewerb der Microlauncher-Hersteller schaffen und damit Innovationen in der Breite massiv befördern", wirbt der Verband.

Indessen verzögert sich auch das lange angekündigte Weltraumgesetz. "Ein Referentenentwurf liegt derzeit noch nicht vor", heißt es in der Antwort des Ministeriums auf die FDP-Anfrage. "Derzeit werden die Änderungs- bzw. Ergänzungswünsche verschiedener Ressorts geprüft". Das Gesetz solle "noch in dieser Legislaturperiode" kommen. Der Bundestagabgeordnete Houben sieht derweil eine Gefahr für die Branche, da weiterhin rechtliche Rahmenbedingungen fehlten - auch was die Haftung betrifft. "Die Trödelei der Bundesregierung kostet Deutschland Vorsprung und Wirtschaftskraft auf dem Weltraummarkt", kritisiert er.

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