Süddeutsche Zeitung

RAG-Stiftung:Trick oder Intrige?

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Der Vorsitzende der RAG-Stiftung, der frühere BP-Manager Wilhelm Bonse-Geuking, wird massiv unter Druck gesetzt. Gibt es alte Rechnungen zu begleichen?

Karl-Heinz Büschemann

Die Vorwürfe klingen hart. Sie vermitteln den Eindruck, an der Ruhr sei ein massives Täuschungsmanöver abgelaufen. Schon bald würde deshalb vielleicht der Kopf eines wichtigen Managers rollen. Oder ist die ganze Sache nur eine Intrige?

Im Zentrum der Debatte steht die RAG-Stiftung, eine im Juni 2007 geschaffene Institution, die vom Bund und den Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland mit der Aufgabe betraut wurde, den hoch subventionierten Steinkohlebergbau abzuwickeln und bis 2018 die Stilllegung der letzten Zechen an Ruhr und Saar zu finanzieren. Deshalb soll die Stiftung, die Eigentümerin der Kohlegesellschaft RAG und des Essener Mischkonzerns Evonik ist, ihre Industriebeteiligungen verkaufen oder an die Börse bringen. Mit dem Erlös sollen die Kosten für den Ausstieg aus der Kohle bezahlt werden.

Seit mehreren Tagen verbreitet das Handelsblatt eine Geschichte, in der es heißt, der Vorsitzende der RAG-Stiftung, der frühere BP-Manager Wilhelm Bonse-Geuking, habe eine undurchsichtige Rolle gespielt. Er habe im Juni 2008 genau 25,01 Prozent der Evonik-Aktien an die luxemburgische Finanzgesellschaft CVC verkauft. Damals habe es der Stiftungschef aber versäumt, seinem Stiftungskuratorium mitzuteilen, dass dieser neue Aktionär ein klares Vetorecht bei Evonik habe. Wegen dieses Einspruchsrechts, so der Vorwurf, sei der Rest der Beteiligung weniger wert als angenommen. "Einige der Kuratoren fühlen sich über die Sonderrechte des neuen Evonik-Miteigentümers falsch informiert", so die Zeitung. Ein weiterer Vorwurf lautet, Bonse-Geuking habe Berichte von drei Rechnungshöfen, die diesen Umstand feststellten, unter Verschluss gehalten. Es geht das Wort vom "Vertrauensbruch" um. Das Blatt vermittelt den Eindruck, der 68-jährige Stiftungschef sei reif für den Rücktritt.

Bonse-Geuking bestreitet die Vorwürfe. "Wir haben damals als Vorstand der RAG-Stiftung das Kuratorium korrekt informiert", sagte er am Freitag der Süddeutschen Zeitung. Dass ein Aktionär, der 25,1 Prozent des Aktienkapitals einer Gesellschaft halte, eine starke Stimmposition hat, sei in der Industrie normal und ergebe sich aus dem Aktiengesetz. Die wesentlichen Regelungen der Vereinbarung seien dem Kuratorium damals erläutert worden. Bonse: "In der Sitzung nahm das Kuratorium die Vorschläge des Vorstands zustimmend zur Kenntnis." Sie seien ins Protokoll dieses Treffens aufgenommen worden. In der Herbstsitzung des Kuratoriums im November sei das Protokoll dann von den Kuratoren "einstimmig verabschiedet worden", so Bonse. Ein Mitglied sei entschuldigt gewesen. Die Süddeutsche Zeitung erfuhr am Freitag von einem Kuratorioumsmitglied, es gebe wegen dieser Frage im Gremium "keine Aufregung."

Ein echtes Politikum

Die RAG-Stiftung ist ein Politikum. In dem dreizehnköpfigen Kuratorium sitzen Politiker wie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und der Regierungschef des Saarlands. Aber auch der Bundeswirtschaftsminister sowie der Bundesfinanzminister und Gewerkschaftsvertreter gehören dazu. Schon die erste Besetzung der Stiftungsspitze war 2007 ein Riesengefeilsche. Damals hatte sich der langjährige Evonik-Chef Werner Müller, der als parteiloser Wirtschaftsminister unter Bundeskanzler Gerhard Schröder gedient hatte, Chancen ausgerechnet, diesen prestigeträchtigen Posten zu übernehmen. Doch Müller galt als Mann der SPD. Der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers legte sich quer und berief stattdessen Wilhelm Bonse-Geuking, der eine Managerkarriere beim Eon-Vorgänger Veba und beim Ölkonzern BP hinter sich hatte und der zudem CDU-Mitglied ist.

Möglicherweise sind damals Verletzungen entstanden, die bis heute nachwirken. Das Verhältnis von Bonse-Geuking zu Müller ist gespannt. Auch zwischen dem heutigen Evonik-Chef Klaus Engel und seinem Aufsichtsratschef Bonse-Geuking gibt es gelegentlich Konflikte. Möglicherweise gibt es an der Ruhr auch Vertreter, die noch eine Rechnung mit Bonse-Geuking offen haben und jetzt, nach der Abwahl von Ministerpräsident Rüttgers im Mai, die Chance sehen, Bonse aus dem Amt zu hebeln.

Indes dürfte es nicht einfach sein, den Stiftungschef abzusetzen. Dass mit Hannelore Kraft eine SPD-Frau statt des früheren CDU-Ministerpräsidenten ins Kuratorium eingezogen ist, ändert die politischen Farbverhältnisse im Kuratorium kaum. In Düsseldorf wie an der Saar hat der Zoff an der Spitze der RAG-Stiftung bisher nur eine geringe politische Priorität. Beide Ministerpräsidenten sind im Urlaub und sahen am Freitag keinen Anlass zu einer Stellungnahme.

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Quelle:
SZ vom 14./15.08.2010
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