Süddeutsche Zeitung

Pro Sieben Sat 1:Er ist noch da

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Thomas Ebeling machte Pro Sieben Sat 1 einst erfolgreich, nun ist der Fernsehkonzern in der tiefen Krise. Der Vorstandschef muss kämpfen. Und der Aufsichtsrat sucht bereits einen Nachfolger.

Von Caspar Busse, München

Thomas Ebeling, 58, versuchte es mit einem Scherz. Auf die Frage, welche große Nachricht, welches große Ding also, das Fernsehunternehmen Pro Sieben Sat 1 jetzt aus der Krise führen könnte, sagte der Vorstandsvorsitzende am Donnerstag: "Eine Fusion mit RTL, das können wir aber gerade nicht bieten." Es klang schon ein wenig nach Galgenhumor, denn natürlich steht ein Zusammenschluss mit dem Konkurrenten aus Köln derzeit gar nicht an - und er wäre auch kartellrechtlich voraussichtlich gar nicht machbar.

Ebeling, seit 2009 im Amt, machte Pro Sieben Sat 1 erfolgreich und baute ein funktionierendes Internetgeschäft auf. Seit 2016 ist das Unternehmen sogar im Dax notiert und gehört damit zu den 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen. Doch seit einigen Monaten herrscht Krise. Am Donnerstag stürzte der Kurs erneut um bis zu zehn Prozent auf gut 25 Euro ab, zuvor waren zum wiederholten Mal die Aussichten nach unten revidiert worden. Erneut hatte Ebeling also nur Enttäuschung für die Anleger parat, seine Glaubwürdigkeit ist beschädigt. Die Krise des Fernsehunternehmens wird zunehmend auch zu einer Krise des Vorstandschefs.

Der Aufsichtsrat, der vom ehemaligen SAP-Finanzchef Werner Brandt geführt wird, sucht nach SZ-Informationen bereits intensiv nach einem Nachfolger für Ebeling. Der Markt werde ausführlich sondiert, heißt es, innerhalb und außerhalb der Medienbranche. Eine interne Lösung gilt als unwahrscheinlich. Den anderen Vorstandsmitgliedern werde kaum zugetraut, die Krise zu meistern und vor allem auch Vertrauen bei den Anlegern herzustellen. Eine interne Doppellösung für die Vorstandsspitze, zum Beispiel aus Sabine Eckhardt (Vermarktung) und Conrad Albert (Recht und öffentliche Beziehungen), sei den Finanzmärkten nicht vermittelbar. Christof Wahl, der im Vorstand für digitale Unterhaltung zuständig ist, gilt als nicht durchsetzungsstark genug.

Ebeling hat es jedenfalls versäumt, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger aufzubauen. Die Unruhe ist groß, auch weil kürzlich bereits zwei aussichtsreiche Vorstandsmitglieder den Konzern verlassen haben: Finanzchef Gunnar Wiedenfels wechselte in gleicher Funktion zum Discovery-Konzern nach New York, Digitalvorstand Christian Wegner wurde verabschiedet. Ebelings Vertrag läuft noch bis 2019, aber er deutete am Donnerstag erneut an, dass er früher ausscheiden könnte. Manche in der Zentrale in Unterföhring erwarten, dass Ebeling höchstens noch bis zur kommenden Hauptversammlung Mitte Mai 2018 im Haus bleiben wird.

Viele jüngere Zuschauer wandern zu Netflix oder Amazon Prime ab

"Der Aufsichtsrat setzt selbstverständlich rechtzeitig einen adäquaten Prozess zur Suche eines Nachfolgers von Thomas Ebeling auf", sagte eine Sprecherin. Wann dies der Fall sei, werde nicht kommentiert.

"Ich bin noch da. Und ich bin voller Tatendrang", sagte Ebeling zu seiner Zukunft am Donnerstag bei der Präsentation der Quartalszahlen. Anfang Dezember will er den Investoren bei einem Kapitalmarkttag eine neue Strategie präsentieren und für Vertrauen werben. Geprüft wird unter anderem die Schaffung von nur noch drei großen Geschäftsbereichen. Zudem könnten gerade die Digitalgeschäfte, die Ebeling in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, für externe Investoren geöffnet werden. Nicht ausgeschlossen, dass einzelne Bereiche auch an die Börse gehen könnten und damit der Wert des Gesamtunternehmens gesteigert wird.

Aber hilft das alles? Die Probleme sind vielfältig. Pro Sieben etwa ist auf jüngere Zuschauer konzentriert, mit Sendungen wie "Germanys Next Top-Model", "Voice of Germany" oder "Das Duell um die Welt". Doch gerade diese Konsumenten wandern zu neuen Anbietern wie Netflix, Youtube oder Amazon Prime ab. Die Marktanteile der Konzernsender gehen zurück, die Werbeeinnahmen ebenso. Konsumgüterkonzerne wie Procter & Gamble und Nestlé kürzen ihre Budgets, auch die Werbebranche nahm zuletzt die Prognosen zurück. Dazu kommen weitere Schwierigkeiten. Einige Serien floppten, es gab auch deshalb Sonderabschreibungen auf das Filmvermögen. Zudem muss die Online-Videotochter Maxdome umgebaut werden, das kostet. Pro Sieben Sat 1 musste also die Ziele sowohl für den Gewinn als auch für den Umsatz kürzen. Konkurrent RTL schnitt dagegen besser ab, die Bertelsmann-Tochter erhöhte die Prognose, war allerdings zuvor auch zurückhaltender gewesen.

Doch auch die Diversifizierung, also der massive Aufbau und der Zukauf von Onlinegeschäften, scheint die Pro-Sieben-Sat-1-Anleger nicht zu überzeugen. Die Strategie sei nicht klar genug, heißt es. So wurde erst vor einigen Monaten ein Online-Reisebüro wieder verkauft, der Markt galt zuvor als vielversprechend.

Der studierte Psychologe und Ex-Pharmamanager Ebeling kam 2009 als Branchenfremder und Sanierer zu Pro Sieben Sat 1. Er baute um, konzentrierte die Aktivitäten in Unterföhring bei München, verkaufte den Nachrichtensender N 24 sowie das Europa-Geschäft und machte die Firma wieder profitabler. Gleichzeitig expandierte er in neue Bereiche. Und er leitete den Abschied der beiden Finanzinvestoren KKR und Permira ein, die nach der Pleite von Leo Kirch die Mehrheit an dem Unternehmen übernommen hatten. Damals erhielt Ebeling auch einen einmaligen Sonderbonus von 23,5 Millionen Euro - eine Art Abschiedsgeschenk der damaligen Pro-Sieben-Sat 1-Mehrheitsaktionäre.

"Ebeling kämpft gerade um sein Erbe, er will sich seine Bilanz auf den letzten Metern nicht versauen lassen", sagen Insider. Ob ihm das aber noch gelingt, ist offen.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2017
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