Süddeutsche Zeitung

Privatsphäre:Freunde stalken mit dem Facebook-Messenger

Lesezeit: 2 min

Von Simon Hurtz

Die Standardeinstellung verrät den Aufenthaltsort

Wer den Facebook-Messenger auf seinem Smartphone installiert, will sich nicht lange mit komplizierten Einstellungen beschäftigen. Er will sich mit seinen Freunden unterhalten, am besten sofort. Das ist ein Fehler - zumindest, wenn man Wert auf seine Privatsphäre legt. Denn wenn man die entsprechende Funktion nicht explizit deaktiviert, schickt man nicht nur Nachrichten, sondern auch seinen exakten Aufenthaltsort.

Aran Khanna, ein Informatikstudent in Harvard, hat sich diese Sorglosigkeit zunutze gemacht. Ihm war aufgefallen, dass fast alle seine Freunde ihren Standort im Messenger preisgaben; vermutlich ohne, dass sie sich darüber im Klaren waren. Also programmierte er eine Erweiterung für Google Chrome, die alle diese Ortsinformationen sammelt und auf einer Übersichtskarte darstellt. (Anmerkung: aufgrund der zahlreichen Zugriffe hat der zugrundeliegende Kartendienst seine Schnittstelle abgeschaltet, die Erweiterung funktioniert deshalb momentan nicht.)

Ein digital kartographiertes Abbild des Lebens

In einem Blogpost beschreibt Khanna, wie detailliert diese Daten sind und was sie alles über den Absender verraten. Ein einziger Blick auf die Karte verrät nicht nur das Studentenwohnheim, aus dem die Nachrichten verschickt werden. Dank metergenauen Längen- und Breitengraden lässt sich sogar das Zimmer bestimmen. Wenn man sich über längere Zeit regelmäßig mit einem anderen Messenger-Nutzer unterhält, ergibt sich ein digital kartographiertes Abbild seines Lebens.

Auch andere Firmen wie Apple oder Google speichern die GPS-Daten von Smartphones und wissen somit exakt, in welcher Sekunde sich die Nutzer wo aufgehalten haben (sofern diese ihr Smartphone bei sich tragen). Man kann diesen Standortverlauf auch mit anderen teilen - dazu bedarf es allerdings expliziter Einwilligung, normalerweise ist diese Funktion deaktiviert.

Facebook hat bereits reagiert

Khanna betont, dass es ihm nicht darum geht, den Facebook Messenger schlecht zu machen. (Was tatsächlich nicht in seinem Sinne wäre: Im Juni will er ein Praktikum bei Facebook beginnen). Er habe sich nur gefragt, warum so viele Menschen ihren Aufenthaltsort derart leichtfertig preisgeben. Seine Erklärung: Zwar sei die ganze Welt voller Warnungen, dass die Digitalisierung die Privatsphäre bedrohe - aber die tatsächlichen Folgen seien in den seltensten Fällen greifbar.

Nach dem Motto: Was ist schon so schlimm daran, bei einer einzelnen Nachricht meinen Standort mitzuschicken? Dann weiß mein Freund gleich, wo ich gerade bin - das ist doch nett. Doch in der Summe können diese Einzelinformationen zu einer erschreckend genauen Überwachungskarte werden, das nötige technische Know-how vorausgesetzt.

Ob Khanna mit seinem Blogpost ein Umdenken bei den Nutzern auslöst, ist eher unwahrscheinlich - selbst die Enthüllungen von Edward Snowden haben die meisten Menschen eher kaltgelassen. Doch zumindest Facebook hat schon reagiert: Man arbeite bereits an einer Lösung. Bald werde es nicht mehr möglich sein, die Standortdaten aggregiert auszulesen.

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