Süddeutsche Zeitung

Porzellan:Gar nicht so fein

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Die Branche steht vor einer neuen Krise. Selbst Rosenthal hat nun Probleme - und verärgert Fachhändler.

Von Michael Kläsgen

Die wenigen verbliebenen Haushaltswaren-Fachhändler haben es zuerst gespürt. Josef Ostermann aus Ahlen zum Beispiel merkte an Sonderangeboten, dass da schon wieder irgendetwas nicht stimmt in der ohnehin strauchelnden deutschen Porzellanindustrie. Am Donnerstag kam dann tatsächlich eine erste richtig schlechte Nachricht: Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen gab bekannt, ein Drittel ihrer Stellen zu streichen. Es könnte nur der Anfang sein einer neuerlichen Krise bei den namhaften Herstellern des einstigen Kulturguts.

Auch das vor 140 Jahren gegründete Unternehmen Rosenthal steckt wieder in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung schreibt der Porzellanhersteller aus Oberfranken im dritten Jahr in Folge Verluste. Das Unternehmen dementiert diese Information nicht. Das Minus im Jahr 2017 hat es im Bundesanzeiger selbst bekannt gegeben. Von den Verlusten in den beiden Folgejahren berichten Branchenkenner, die namentlich nicht genannt werden wollen.

Vor zehn Jahren hatten Italiener Rosenthal vor der Pleite bewahrt

Dabei hatten die Nachrichten über Rosenthal Anfang dieses Jahres noch so euphorisch geklungen. "Ein Italiener bringt Rosenthal zurück auf die Erfolgsspur", schrieb die Frankenpost. "Porzelliner lassen Krise hinter sich", titelte der Nordbayerische Kurier. Die Artikel erschienen im Januar zum zehnten Jahrestag der Insolvenz des weltweit bekannten Geschirrherstellers. Gemessen an der Tristesse, die 2009 in Selb an der tschechischen Grenze herrschte, stimmte das auch. Viele Einwohner fürchteten damals, ihre Lebensgrundlage zu verlieren, einige zogen weg.

Doch nun, zehn Jahre nach der Rettung durch die Brüder Pierluigi und Franco Coppo, die den italienischen Besteckhersteller Sambonet Paderno kontrollieren, kehrt abermals Unruhe in die Kleinstadt Selb ein. Porzellan, einst Ausdruck von Schönheit, Reichtum und Macht, ist für die meisten Menschen nur noch ein Gebrauchsgegenstand wie andere. Einen Teller bekommt man bei Ikea für 1,99 Euro. Mit dem Sonntagsbraten verschwand auch das Sonntagsgeschirr aus dem Leben der meisten. Und es verschwand ein Großteil der Hersteller im Heimatland des Porzellans, das Deutschland einmal war. Geblieben sind noch zwischen zehn und 20 Hersteller und 5000 "Porzelliner". Selb, der Sitz von Rosenthal und Hutschenreuther, gilt weiterhin als "Porzellanstadt" Deutschlands. Die meisten der knapp 800 Mitarbeiter von Rosenthal sind hier beschäftigt.

Dass die Firma größere Probleme haben könnte und möglicherweise etwas noch nicht Spruchreifes plant, schwant nicht nur Josef Ostermann. Einige seiner Kollegen, darunter Peter Franzen, der einen Laden an der Düsseldorfer Königsallee betreibt, und Marc Ferdinand in Koblenz, schreckte eine für Rosenthal untypische Aktion auf. Die Marke, die jeher für Qualität und hohe Preise stand, ist seit Anfang September auch bei Edeka in Nordrhein-Westfalen über schnell gesammelte Treuepunkte günstig zu haben. Allein in NRW betreibt Edeka etwa 4500 Filialen. Die noch bis Anfang Januar laufende Aktion hat also Wucht, auch wenn Rosenthal selbst nur von einem "zeitlich und lokal begrenzten Treueprogramm" spricht.

Josef Ostermann hält das für "Ausreden". Er betreibt in der Fußgängerzone von Ahlen südlich von Münster in der neunten Generation ein seit 1706 geführtes Familienunternehmen, das heute ein Fachgeschäft für Glas, Porzellan und Geschenkartikel ist. Porzellan von Rosenthal wird dort seit 1956 verkauft. Um die Teller, Tassen und Schüsseln überhaupt verkaufen zu können, musste die Familie Ostermann sich auf bestimmte Bedingungen von Rosenthal vertraglich einlassen. Dazu gehört, dass Ostermann das edle Geschirr nicht irgendwo im Laden abstellen darf, sondern auf besonderen Möbeln von Rosenthal präsentieren muss: schön hell ausgeleuchtet natürlich. Und auch die Verkäufer müssen für die Beratung der Kunden geschult werden. Allein für die Möbel gab Ostermann, sagt er, über die Jahre etwa 50 000 Euro aus.

Und jetzt müssen er und die anderen Fachhändler mitansehen, wie die Teller lieblos dekoriert auf Pappständern bei Edeka liegen, das Stück für 4,50 Euro. Bei Ostermann kostet er fast 17 Euro. "Mir ist es unbegreiflich", sagt er, "wie wir unserem Kunden, wenn er noch kommt, den Preis von 4,50 Euro erklären sollen."

Ist es denn das gleiche Geschirr? Rosenthal sagt Nein, Ostermann Ja. Kommt es darauf überhaupt an? Auf der Unterseite findet sich auch auf der Edeka-Ware der Rosenthal-Stempel, klagt Ostermann. Die große Marke gibt es zum kleinen Preis. Das sei die Wirkung beim Kunden. Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Handelsverband Koch- und Tischkultur, gibt ihm recht: "Treueaktionen gehen vollständig zulasten des Fachhandels", sagt er.

Rosenthal hingegen argumentiert, die Aktion diene dazu, jüngere Kunden zu gewinnen, die Fertigung auszulasten, Lieferanten und Partner zu beschäftigen und Arbeitsplätze in Bayern zu sichern. "Wir sind nicht auf die Umsätze aus dieser Aktion angewiesen", heißt es auf Anfrage.

Genau das bezweifeln die Fachhändler jedoch. "Man hat den Eindruck, hier soll die Braut hübsch gemacht werden", sagt Ferdinand, Geschäftsführer des Porzellanhauses Commes. Soll heißen: Vor einem möglichen Verkauf soll der Umsatz noch einmal gepusht werden. Bei anderen Haushaltsmarken wie WMF sei das ähnlich gelaufen. Nur: Bei Rosenthal fragen sich alle: Wer könnte der Käufer sein? Da fällt im Moment keinem jemand ein.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2019
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