Süddeutsche Zeitung

Tricks bei Arzneimittelpreisen:Rösler bestraft schummelnde Pharmakonzerne

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Gesundheitsminister Rösler will Unternehmen, die Rabattzahlungen an die Krankenkassen umgehen, Millionen berappen lassen. Nach SZ-Informationen plant sein Ministerium eine Sonderabgabe.

Guido Bohsem, Berlin

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will Pharmaunternehmen zur Rechenschaft ziehen, die das Arzneimittel-Sparpaket der schwarz- gelben Regierungskoalition unterlaufen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung plant sein Ministerium dazu eine Sonderabgabe, die die tricksenden Konzerne empfindlich treffen soll.

Röslers Strafaktion würde den Rabatt, den die Pharmahersteller den Krankenkassen gewähren müssen, auf insgesamt 20,5 Prozent anheben. Hält sich ein Unternehmen hingegen an die Spielregeln des Sparpakets, muss es nur 16 Prozent zahlen. Das Vorhaben könnte für die betreffenden Firmen zusätzliche Abgaben in Millionenhöhe bedeuten. Wie viel Geld die Kassen insgesamt durch die geplante Regelung einnehmen werden, ist jedoch völlig offen. Denn Rösler will den falschspielenden Konzernen ausdrücklich die Möglichkeit einräumen, sich noch bis zum Ende des Jahres an die gesetzlichen Vorgaben zu halten.

Im Juli hatten die Preiswächter der Krankenkassen merkwürdige Veränderungen bei den Preisen einzelner Medikamente festgestellt. So verlangte Sandoz für die Injektionslösung Omnitrope Anfang des Monats noch 1240,25 Euro. Zwei Wochen später kostete das Medikament, mit dem Wachstumsstörungen bei Kindern behandelt werden, dann 1377 Euro. Eine ähnliche Entwicklung gab es beim Krebsmittel Erbitux von Merck Serono. Auch hier stieg der Preis innerhalb von zwei Wochen um gut zehn Prozent. Wiederum zwei Wochen später zeigten sich die Hersteller auf einmal großzügig, und die Preise für die Medizin sanken wieder auf das ursprüngliche Niveau.

Experten ist dieses Vorgehen der Unternehmen seit längerem bekannt. Sie sprechen dabei von einer "Preisschaukel". Die ist nicht verboten, aber reichlich unfein. Die Erklärung für das Phänomen der hoch- und runterschaukelnden Preise ist simpel. Zum 1. August trat die erste Stufe der Spargesetze in Kraft, die die schwarz-gelbe Koalition der Pharmaindustrie auferlegt hat. Statt eines Zwangsrabatts von sechs Prozent müssen sie nun einen von 16 Prozent zahlen. Dadurch erhoffte sich Rösler zusätzliches Geld für die Krankenkassen - insgesamt gut eine Milliarde Euro. Nach den Regelungen des Gesetzes müssen die Hersteller weniger zahlen, wenn sie die Preise für ihre Medikamente senken. Das ist zunächst einmal vernünftig, weil diese Regelung die Industrie dazu animieren soll, niedrige Preise anzubieten.

Doch nutzten Teile der Branche die Vorschrift weidlich aus: Sie hoben die Preise für ihre Medikamente kurz vor Inkrafttreten der neuen Regeln um zehn Prozent an, um sie dann wieder zu senken. Im Endeffekt sparen sie sich dadurch den höheren Zwangsrabatt, und die Krankenkassen gehen leer aus.

Laut einer Untersuchung des Gesundheitsministeriums waren Sandoz und Merck Serono bei weitem nicht die einzigen Unternehmen, die ihre Preise schaukeln ließen. Entsprechende Schwankungen gab es insgesamt bei 455 Arzneimitteln in verschiedenen Packungsgrößen von 17 Unternehmen. Den Schaden beziffern Röslers Experten auf gut vier Millionen Euro. Das ist nicht viel angesichts der 30 Milliarden Euro, die die Kassen im vergangenen Jahr für Medikamente ausgaben. Und doch reichte das Verhalten aus, um für Empörung unter den Spitzenleuten des Ministeriums zu sorgen.

Zoff in der Branche

Auch in der Pharmabranche selbst stößt das Vorgehen der 17 Unternehmen auf Missbilligung. Als erste Berichte über die Methoden der Unternehmen veröffentlicht wurden, sprach sich der Vorsitzende des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen, Wolfgang Plischke, eindeutig gegen die Praktiken aus. Plischke hatte dem Ministerium seine Unterstützung angeboten, falls es gegen die Preisschaukel vorgehen werde. Wichtig sei dabei aber, dass dies dann rückwirkend zu Anfang August geschehen werde.

Genau dies will Rösler mit seinem Vorgehen erreichen. Alle Unternehmen, bei deren Produkten es in der Zeit vor August zu auffälligen Preisschwankungen kam, sollen den um 4,5 Prozent erhöhten Rabatt bezahlen. Vermeiden können die Unternehmen das nur, wenn sie die Summe nachzahlen, die ohne die Preisschaukel fällig gewesen wäre.

Der Bundesgesundheitsminister will das Vorhaben in den kommenden Tagen mit den Fachpolitikern der Union und FDP besprechen. Dabei dürfte er sich der Unterstützung des Koalitionspartners einigermaßen sicher sein. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hat sich nachhaltig verärgert über das Vorgehen der Pharmakonzerne gezeigt und Konsequenzen angekündigt, falls die Unternehmen sich nicht an die Vorgaben des Gesetzgebers hielten.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2010
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