Süddeutsche Zeitung

Österreich:Österreichs Ex-Finanzminister ist wohl doch nicht "supersauber"

Lesezeit: 3 min

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Immer wieder hatte Karl-Heinz Grasser betont, dass er die Ungewissheit satthabe, dass die Verschleppung der Anklage gegen ihn eine Qual sei, dass er bereit sei für ein Verfahren. Allerdings hatte er auch immer betont, eine weiße Weste zu haben. Er sei "supersauber". Das Oberlandesgericht Wien hat dem Warten jetzt ein Ende bereitet. Die Anklage gegen den ehemaligen österreichischen Finanzminister Grasser und 15 weitere Angeklagte ist fertig. Ein Mammutverfahren, ein Gerichtskrimi sondergleichen vor dem Straflandesgericht ist nun in Vorbereitung.

Mehr als sieben Jahre hat es insgesamt gedauert, bis die Berge von Unterlagen, Kontoauszügen, verschrifteten Telefongesprächen, Zeugenaussagen und Einsprüchen bearbeitet waren; die Anklageschrift umfasst 800 Seiten. Im Herbst soll in Wien das sogenannte Buwog-Verfahren losgehen, das mit dem Linzer Terminal Tower noch einen zweiten Anklagepunkt umfasst. Und die Republik wird sich warm anziehen müssen. Denn was da zutage treten dürfte aus den Jahren der schwarz-blauen Koalition zwischen 2000 und 2006, wird einmal mehr ein Licht werfen auf die Zustände im Land - und es wird zudem die Frage aufwerfen, ob das alles heute so wirklich nicht mehr möglich wäre.

Nun steht der einstige Shooting-Star "Mister Nulldefizit" vor Gericht

Zur Sache: 2005 wurden etwa 60 000 Wohnungen aus Staatsbesitz privatisiert. Ein Bieterkonsortium um die Immofinanz bekam mit einem hauchdünnen Vorsprung den Zuschlag, weil das Gebot bei einer Gesamtsumme von 961 Millionen Euro gerade mal eine Million über dem der Konkurrenz lag. Grasser und seine Duzfreunde, die Lobbyisten Walter Maischberger und Peter Hochegger, sollen etwa zehn Millionen Euro mitgeschnitten haben.

Sie bestreiten das bis heute. Angeklagt sind daneben auch der damalige Immofinanz-Generaldirektor und zwei ehemaliger Raiffeisen-Manager, weitere Bänker, Vermögenstreuhänder, Steuerberater und Mitarbeiter des Ministeriums. Die Staatsanwaltschaft geht trotz der Dementis von einem gemeinsam erstellten "Tatplan" aus, nach dem FPÖ-Politiker und Lobbyisten in der damaligen Regierung unter ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel bei den anstehenden Privatisierungen hohe Provisionen abzweigen wollten. Einige andere Strafverfahren zu Korruptionsfällen aus dieser Zeit sind bereits abgewickelt. Nun steht demnächst der einstige Shooting-star der Republik, Sohn eines Kärntner Autohändlers, enger Freund von FPÖ-Chef Jörg Haider, "Mister Nulldefizit", vor Gericht, der zuletzt vor allem durch sein schickes Leben in Kitzbühel an der Seite von Gattin Fiona Pacifico Griffini-Grasser Schlagzeilen gemacht hatte.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, mithilfe des Investmenthauses Lehman eine Bieterrunde organisiert zu haben, in der ein Konsortium rund um die Immofinanz, das anfangs weniger als Konkurrent CA-Immo geboten hatte, mit dem entscheidenden Tipp versorgt wurde. Etwa zehn Millionen Euro wurden danach an verschiedene Konten via Zypern nach Liechtenstein geschickt und dort auf Konten verbucht, welche die Namen der Ehefrauen der Lobbyisten trugen. Die Sache flog auf, als die Konzernmutter der Immofinanz pleiteging. Dabei fanden die Konkursverwalter in den Datenbergen entsprechende Belege. Maischberger und Hochegger erstatteten später Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung.

Grasser verstrickte sich in Schwiegermutter-Behauptungen

Es waren Ermittlungen mit Hindernissen. Lange hatte die Justiz in Vaduz sich geweigert, die entsprechenden Konto-Unterlagen nach Wien zu schicken; ein Anwalt, der in Grassers Auftrag Akteineinsicht nahm, ließ einen Teil der Unterlagen mitgehen. Doch nun will die Staatsanwaltschaft vor allem anhand der Geldflüsse beweisen, dass ein Teil des erschlichenen Geldes dem Ex-Minister gehört. Immer wieder waren Summen auf seinen Inlandskonten verbucht worden, die vorher in gleicher Höhe auf Konten seiner Freunde Maischberger und Hochegger abgehoben worden waren. Grasser argumentierte anfangs, das Geld stamme aus seiner Firma, dann von seiner Frau, schließlich kam die Schwiegermutter ins Spiel. Die aber konnte sich nie an derartige Zahlungen erinnern.

Die Schwiegermutter-Posse war nur eine von vielen Anekdoten aus der Causa Grasser et al, mit denen sich die österreichische Gesellschaft in den vergangenen Jahren gut unterhielt; Grasser und seine Freunde waren auch Dauergäste im Korruptions-Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments. Ihre Glaubwürdigkeit stärkte das nicht. Die Staatsanwaltschaft geht heute von gemeinschaftlicher Untreue, Bestechung, Unterschlagung, Beweismittelfälschung und Geldwäsche aus. Grasser und seinen Partnern drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Hinzukommen könnte noch die Causa Linzer Terminal Tower, bei der dieselbe Truppe einen Schnitt durch die Vermittlung eines lukrativen Mietvertrags gemacht haben soll, für den 200 000 Euro geflossen sein sollen. Grassers Rechtsanwalt Manfred Ainedter argumentierte nach der Zulassung der Anklage, die Idee vom gemeinschaftlichen "Tatplan" sei Schwachsinn, selbstredend werde sein Mandant auf unschuldig plädieren. Die Staatsanwaltschaft habe schlampig gearbeitet, sei aber offenbar massiv unter Druck gewesen. Der Jurist sprach von "unfassbarer medialer Vorverurteilung, die einmalig in der Justizgeschichte" sei. "So etwas war noch nie da."

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SZ vom 22.04.2017
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