Süddeutsche Zeitung

Haushalt:Vielen Investitionen fehlt der Wumms

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Finanzminister Scholz hat die öffentlichen Investitionen in diesem Jahr auf eine neue Rekordhöhe geschraubt. Doch nur ein Teil der Mittel fließt tatsächlich in inländische Bauprojekte.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Seit Olaf Scholz 2018 das Bundesfinanzministerium übernommen hat, gilt ein neuer erster Lehrsatz im Haus: investieren, investieren, investieren - um die Produktion hierzulande besser und effizienter zu machen und so für Arbeitsplätze und Wohlstand zu sorgen. Der sozialdemokratische Minister hat die geplanten öffentlichen Investitionen deutlich erhöht, vor allem im laufenden Jahr. Mit den beiden Nachtragshaushalten 2020 steigen sie um mehr als 33 Milliarden Euro auf mehr als 71 Milliarden Euro an. Selbst wenn man bedenkt, dass sich einige Ausgaben länger hinziehen, ist das beachtlich. Jedenfalls auf den ersten Blick.

Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln haben sich die Zahlen genauer angeschaut - und sind überrascht: Nahezu die Hälfte der zusätzlichen Investitionen des Bundes im Jahr 2020 gehen auf neu gekaufte Beteiligungen an Unternehmen zurück, auf Darlehen, Gewährleistungen oder Zuschüsse für ausländische Investments, schreiben die Autoren im aktuellen IW-Kurzbericht. Er liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Die Ökonomen kritisieren, dass das Ministerium eine Erhöhung des Eigenkapitals an der Deutschen Bahn in Höhe von fünf Millionen Euro, mit der Folgeschäden aus der Pandemie ausgeglichen werden, als investive Ausgabe verbucht. Oder das Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von mehr als neun Milliarden Euro. Tatsächlich investiere der Bund lediglich gut zehn Milliarden Euro mehr in inländische Bau- und Sachprojekte, also Brücken, Straßen, Schulen und ähnliches. Die auf den ersten Blick beachtliche Steigerung entpuppe sich "bei näherer Betrachtung als Mogelpackung". Abgesehen davon, seien erst 25 Milliarden Euro abgeflossen.

Auch in den folgenden Jahren seien "keine größeren Sprünge" geplant, kritisieren die Forscher. Im Jahr 2021 sollen die Investments knapp neun Milliarden Euro höher liegen als 2019, danach fällt der Zuwachs geringer aus. Scholz liege weit unter den tatsächlichen zusätzlichen Investitionsbedarfen, die verschiedene Studien mit etwa 457 Milliarden Euro über zehn Jahre beziffern. "Selbst wenn die liegengebliebenen staatlichen Mittel zügig verbaut werden, ist der aufgezeigte Investitionsbedarf bisher nicht gedeckt", schreiben die Ökonomen. "Ein richtiger Wumms bei den öffentlichen Investitionen hat (noch) nicht stattgefunden".

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