Süddeutsche Zeitung

Nach Steuerskandal:Eine Bank hofft auf einen Neuanfang

Lesezeit: 3 min

Von Nils Wischmeyer, Mainz

Der Moment als Stefan Rensinghoff und Harald Zenke klar wird, dass es um mehr geht als um Ungenauigkeiten, ist im Juni 2017. Ein Mann steht vor der Eingangstür der Bank im 22. Stock des Mainzer Bonifaziusturms B. Es klingelt, und als Rensinghoff öffnet, steigen dutzende Ermittler aus den fünf Aufzügen vor ihm.

Er und Zenke hatten erst wenige Monate zuvor bei der North Channel Bank als Geschäftsführer mit der Prämisse angeheuert neue Geschäftsmodelle aufzubauen und mussten erkennen, dass daraus erst einmal nichts wird.

Seitdem räumen sie den Scherbenhaufen auf, den die Eigentümer dort hinterlassen haben. Diese sollen, so sehen es Ermittler in Dänemark, Belgien und Deutschland, Teil eines der größten Steuerskandale Europas gewesen sein. Dabei sollen über Jahre hinweg viele Beteiligte den dänischen und auch den belgischen Staat um viel Geld gebracht haben. Insgesamt 1,7 Milliarden Euro hat die dänische Steuerbehörde Skatteforvaltningen (Skat) den mutmaßlichen Betrügern zwischen 2012 und 2015 ausgezahlt. Das ist für ein kleines Land wie Dänemark viel Geld.

Schaden von mehreren Hundert Millionen Euro

Allein die Gruppe an Beteiligten rund um die North Channel Bank soll sich zwischen 2012 und 2015 Steuern mehrfach erstattet lassen haben und damit einen Schaden von insgesamt 550 Millionen Euro in Dänemark verursacht haben, weitere 70 Millionen Euro Schaden in Belgien. Das ergaben monatelange Recherchen der Süddeutschen Zeitung zusammen mit dem dänischen Sender TV2, der Kopenhagener Tageszeitung Politiken und dem belgischen Magazin Knack.

In Deutschland laufen zudem Ermittlungen gegen sieben ehemalige und teils noch angestellte Mitarbeiter der North Channel Bank wegen des Verdachts der Geldwäsche. All das ist viel Holz für eine kleine Bank mit etwa 50 Mitarbeitern.

Entsprechend gründlich mussten Rensinghoff, Zenke und der dritte Geschäftsführer Gunnar Volkers in den vergangenen Jahren aufräumen. Sie selbst, das ist wichtig zu wissen, waren aber nie an den Geschäften beteiligt, die die Bank so in Verruf brachten, sondern kamen später dazu.

Anfang der Woche nun gelang den Dreien ein Befreiungsschlag: ein Deal mit Dänemark und Belgien. Das bestätigten die beiden Geschäftsführer am Mittwoch der SZ. Dem Deal zufolge soll das Geldinstitut verkauft werden und der entsprechende Erlös nach Dänemark und Belgien fließen. "Wir haben zivilrechtlich wie strafrechtlich nichts mehr zu befürchten", sagt Geschäftsführer Rensinghoff. Er betont, das Eigenkapital der Bank werde nicht angerührt.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll Belgien rund 15 Prozent der Erlöse erhalten, Dänemark die verbleibenden 85 Prozent. Eine Bußgeldzahlung in Höhe von 14 Millionen Euro, die die dänischen Behörden am Montag verkündeten, ist in den 85 Prozent bereits inbegriffen.

Kein Einfluss auf das aktuelle Geschäft mehr

Zusätzlich können die Länder versuchen, Geld von den Eigentümern der Bank zu bekommen, die sich hinter einem Konstrukt an Firmen verstecken. Diese und weitere Beteiligte hatten sich im Mai mit Skat darauf geeinigt, einen Teil des Schadens zurückzuzahlen, könnten aber noch auf anderen Wegen belangt werden. Bei der North Channel Bank sind sie zudem seit Monaten kalt gestellt durch die Finanzaufsicht und dürfen gar keinen Einfluss mehr auf das aktuelle Geschäft nehmen. Die Holding, die die kleine Bank mit Sitz in Mainz hält, habe zudem zugesagt, dass 100 Prozent der North Channel Bank an einen neuen Investor gehen. Sogenannte "non-binding-offers" einiger Investoren liegen dem aktuellen Management bereits vor. Wer den Zuschlag bekommt, soll sich bis Ende des Jahres entscheiden, danach beginnen Prüfungen, die noch einmal mehr als zwölf Monate dauern könnten.

Dass ein weiteres Verfahren in Koblenz läuft, bei dem sieben ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Bank als wegen Geldwäsche Verdächtige geführt werden, beunruhigt die beiden Geschäftsführer nicht. "Wir haben allen gekündigt, die aktiv daran beteiligt waren", sagt Rensinghoff. Sollte rauskommen, dass eine der verbleibende Mitarbeiter ebenfalls aktiv beteiligt war, ziehe die Bank arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Spätestens mit dem neuen Eigentümer will die Bank dann das unrühmliche Kapitel abschließen, das 2012 begann. Damals suchte die 1924 in Berlin gegründete Bank einen neuen Investor und Kapitalgeber und fand sie in den Ex-KPMG-Managern Jerome Lhote und Matthew Stein, die die Bank nach ihrem Gusto umbauten.

Das Schema, das sie und weitere Beteiligte verfolgt haben sollen, soll dem der Cum-Ex-Geschäfte in Deutschland geglichen haben. Hierzulande hatten Banken, Investoren und andere Beteiligte mutmaßlich über Jahre hinweg Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende gehandelt und sich daraufhin Steuern mehrfach erstatten lassen haben, die sie zuvor nur einmal gezahlt hatten. Bei der North Channel Bank trieben die Beteiligten dieses Spiel offenbar noch ein ganzes Stück weiter. Statt mit Aktien zu handeln, sollen die Beteiligten über US-Pensionsfonds, die die eigentlichen Eigentümer an sie abgaben, einen Handel vorgetäuscht haben und sich Steuern mehrfach erstattet haben lassen.

Künftig will die Bank sich auf andere Geschäftsfelder konzentrieren, etwa den Handel mit US-Lebensversicherungen und die Anschubfinanzierung von Projekten. Erste Erfolge haben die Geschäftsführernach eigenen Angaben schon erzielt. Mit dem Deal im Rücken wollen sie nun machen, wofür sie 2017 eingestellt wurden: eine nachhaltige Bank aufbauen.

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Quelle:
SZ vom 26.09.2019
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