Neue SEC-Chefin:Kein Stein bleibt auf dem anderen
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Mary Schapiro, die künftige SEC-Chefin, muss das gescheiterte System der Marktregulierung erneuern - damit sich die Krise nicht wiederholt.
Mary Schapiro kann auch in finsteren Zeiten Positives sehen. "Normalerweise geht das nicht, aber in einer Krise wie der jetzigen hat man die Chance, ein leeres Blatt Papier zu nehmen und seine Ziele aufzuschreiben," sagte sie kürzlich. Ziele der Finanzmarkt-Regulierung seien Sicherheit, Solidität, Schutz der Anleger und die Fähigkeit des Systems, Geld zu sammeln. "Wir sollten uns auf diese Ziele konzentrieren, wenn wir die Regulierung neu ordnen."
Das war am 23. Oktober, als sich die Vereinigung der amerikanischen Marktregulierer (Sifma) zu ihrer Jahreskonferenz in New York trafen. Knapp zwei Wochen später wurde der Demokrat Barack Obama zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Und der gibt Schapiro jetzt die Gelegenheit, die Sache mit dem weißen Papier selbst auszuprobieren: Er benannte sie für die Leitung der Securities and Exchange Commission (SEC), der amerikanischen Börsenaufsicht. In dieser Funktion soll sie das gescheiterte System der Marktregulierung in Amerika so erneuern, dass sich eine Krise wie die gegenwärtige nicht wiederholt. Und wenn sie ihre eigenen Vorgaben ernst meint, dann wird dabei kein Stein auf dem anderen bleiben.
Der manipulierte Silber-Markt
Derzeit leitet die 53-jährige Anwältin die Financial Industry Regulatory Authority (Finra), eine Selbstregulierungsinstanz der Wall Street. Finra ist zum Beispiel zuständig für Lizenzen von Börsenhändlern und überwacht, ob die Firmen ihre eigenen Standards einhalten. Schapiro ist also eine Wall-Street-Insiderin im Sinne des Wortes: Sie kennt die Finanzbranche in- und auswendig. Und sie ist politisch unabhängig - ein Unterschied zum Vorgänger Christopher Cox, der republikanischer Kongressabgeordneter in Kalifornien war, ehe er die Leitung der Börsenaufsicht übernahm.
Schapiro wird als erste Frau an der Spitze der 74 Jahre alten Behörde stehen. Sie übernimmt sie im Zustand tiefster Selbstzweifel. Gerade wurde offenbar, dass die Börsenaufseher jahrelang konkrete Hinweise auf den gigantischen Anlagebetrug von Bernard Madoff ignoriert hatten. Cox musste einräumen, dass die SEC "mehrfach versagt" hat.
Das ist zwar nicht der Auslöser für den Führungswechsel bei der SEC; Cox hatte zuvor schon angekündigt, dass er seinen Job nach der Wahl zur Verfügung stellen werde. Aber der Fall macht jedermann klar, dass Reformen unabdingbar sind. Und für die Reformen scheint Schapiro geradezu prädestiniert zu sein: Sie beschäftigte sich praktisch ihr gesamtes Berufsleben lang mit Regulierungsfragen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum eine Fusion von SEC und CFTC als sicher gilt.
Mary Schapiro, eine geborene New Yorkerin, schloss ihr Studium 1980 an der George-Washington-Universität mit einem Doktor der Jurisprudenz ab. Damals hatten gerade die Brüder Hunt in Texas versucht, den Silber-Markt zu manipulieren - ein Ereignis, das einen bleibenden Eindruck bei der jungen Anwältin hinterließ. 1988 berief sie Präsident Ronald Reagan als Kommissarin zur SEC, 1993 leitete sie die Kommission schon einmal kurz als Interimspräsidentin. Ein Jahr später machte Präsident Bill Clinton Schapiro zur Chefin der Commodity Futures Trading Commission (CFTC), die den Handel mit Finanz-Derivaten überwacht. Aus dieser Zeit gibt es eine hübsche Anekdote. Thomas Donovan, der Chef der Chicagoer Börse CBOT, meinte nach Schapiros Ernennung bissig, er fürchte sich nicht vor einem 1,60 Meter großen blonden Mädchen. Worauf sie antwortete: "Ich bin 1,65 Meter groß."
1996 trat Schapiro an die Spitze des Verbandes der amerikanischen Börsenhändler (NASD). Damals ermittelte die SEC gegen den Verband, weil er im Verdacht stand, Händlern geholfen zu haben, die Spanne zwischen Kauf- und Verkaufspreisen im Markt künstlich erweitert und so Anleger geschädigt zu haben.
Schapiro brachte Ordnung in die NASD und organisierte die Fusion des Verbandes mit der internen Marktaufsicht der New York Stock Exchange zur Finra, die sie bis heute leitet.
Mary Schapiro kennt das System also, sie ist aber auch notgedrungen Teil davon. Finra warnte ebenso wenig wie die SEC vor den Exzessen, die die gegenwärtige Krise ausgelöst haben. Einige Kritiker werfen Finra vor, viel zu nachsichtig gewesen zu sein. 2001 berief Shapiro Mark Madoff, den Sohn des Betrügers Bernard Madoff, in einen wichtigen Kontrollausschuss bei Finra. Zwar gilt Mark nach dem Stand der Ermittlungen nicht als Täter, sondern als Opfer seines Vaters, aber der Fall zeigt doch, mit welchen riskanten Entscheidungen sie es in der Vergangenheit zu tun hatte.
Als sicher gilt, dass die künftige Reguliererin ihre neue Behörde, die SEC, mit ihrer alten, der CFTC, fusionieren wird. Man müsse die Regulierung künftig nach Zielen und nicht nach den zu regulierenden Produkten ordnen, sagte sie im Oktober. Spannend wird die Frage, wie künftig die Aufgaben der neuen Behörde und der Notenbank Fed abgegrenzt werden. Möglicherweise muss sich Notenbank-Präsident Ben Bernanke bald mit dem blonden Mädchen herumschlagen.