Süddeutsche Zeitung

Neue Fernzüge:EC mit X

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ICE-Komfort auf Nicht-ICE-Strecken: Der neue Fern­verkehrs­zug der Bahn kommt aus Spanien. Das ist eine klare Niederlage für Siemens, den bisher wichtigsten Lieferanten des Staatskonzerns. Mit dem "ECx" soll sich einiges ändern.

Von Markus Balser

Blick in die Zukunft: In vier Jahren sollen die neuen Züge des spanischen Herstellers Talgo ausgeliefert werden, die "ECx".

Die neuen Fernzüge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h sollen alte Intercity-1-Züge auf Strecken ersetzen, auf denen keine ICE fahren.

Unverhohlen stolz teilt die Deutsche Bahn mit, dass die neuen Wagen "echten ICE-Komfort" bieten werden. In der zweiten Klasse gibt es gekennzeichnete Familienbereiche.

In der ersten Klasse wirken nicht nur die dunkleren Sitzbezüge edler, auch der Abstand zwischen den Sitzen ist größer.

Die Züge sind stufenlos, der Einstieg befindet sich auf 76 Zentimeter - und damit auf einer Ebene mit den meisten Bahnsteigen.

Eine weitere Verbesserung: Die Türen sind breiter, große Koffer kann man also neben sich hineinrollen.

Für Rollstuhlfahrer sind drei Plätze vorgesehen, der Tisch ist dann höhenverstellbar. Auch eines der WC ist behindertengerecht.

Wer sportlich unterwegs ist, wird sich über den Fahrradbereich freuen: Hier haben bis zu acht Räder Platz.

Im Kleinkindabteil dürfen Krabbler das tun, was Kinder in diesem Alter gerne machen: hemmungslos die nächste Umgebung erkunden.

Alle Züge sollen außerdem ein Bordbistro mit Stehtischen und Sitzgruppen bieten.

Weißer Grund, roter Seitenstreifen: Die neueste Errungenschaft der Bahn kommt zwar noch im geläufigen Fernverkehrs- Design daher. Sonst aber soll sich mit dem "ECx" getauften Zug, der in einigen Jahren die alten Euro- und Intercitys ablöst, einiges ändern. Neue Sitztypen, mehr Platz für Fahrräder, Skier und Beine verspricht der Staatskonzern. Und überhaupt: ICE-Komfort auf Nicht-ICE-Strecken. Vor allem aber kommt mit dem Gefährt erstmals ein Fernzug der Bahn nicht mehr von deutschen oder zumindest in Deutschland produzierenden Herstellern: Die DB hat ihre neue Flotte beim spanischen Hersteller Talgo gekauft. Der Rahmenvertrag sieht insgesamt 100 Züge vor. Der Vertrag hat ein Volumen von 550 Millionen Euro.

Am Mittwoch stellte die Bahn nun in Berlin die Pläne für die ersten 23 Züge vor, die ab 2023 durch Deutschland rollen sollen. Kunden können voraussichtlich Anfang 2023 testweise in die ersten der neuen Züge einsteigen. Mit dem Fahrplanwechsel Ende 2023 sollen sie dann regulär fahren. Bis 2024 sollen alle Züge geliefert sein.

Und schon jetzt ist klar, auf welchen Strecken die Züge unterwegs sein werden. Zuerst zwischen Berlin und Amsterdam, die Fahrtzeit zwischen den Hauptstädten verkürze sich dann um etwa 30 Minuten auf fünf Stunden und 50 Minuten, kündigt die Bahn an. Später fahre der Zug auch auf weiteren Routen, ab Sommer 2024 zum Beispiel auf den touristischen Strecken nach Westerland auf Sylt oder auch nach Oberstdorf im Allgäu.

Die Züge fahren bis zu 230 Kilometer pro Stunde schnell. Und sie werden auf das ICE-Niveau angehoben: Die Wagen werden weniger hoch, die bisherige steile Stiege entfällt und Passagiere können an allen Türen ebenerdig ein- und aussteigen. "Rollstuhlfahrer können künftig selbständig an Bord kommen", sagte Bahnchef Richard Lutz. Außerdem gebe es in jedem Wagen Wlan - wie im ICE. Alle Züge sollen zudem ein Bordbistro mit Stehtischen und Sitzgruppen bieten und einen Kleinkind- sowie Familienbereich.

Der Zuschlag für Talgo gilt auch als Niederlage für Siemens. Die Deutsche Bahn war zuletzt mit den Zügen ihrer bislang wichtigsten Lieferanten unzufrieden. Teils kam es bei der Auslieferung zu großen Verspätungen, teils gab es nach dem Start Probleme. Bahnmanager hatten immer wieder erklärt, den Kauf bei anderen Herstellern zu prüfen. Man verspreche sich von den Zügen mehr Verlässlichkeit, kündigte die Bahn nun an. Er beglückwünsche die Bahn zu diesem Lieferanten, sagte am Mittwoch auch der Bahnbeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann.

Die neuen Züge sind Teil eines milliardenschweren Investitionspakets zur Verbesserung des Fernverkehrs. Die Bahn steht wegen Verspätungen und Servicemängeln in der Kritik. Auch unter Druck der Bundesregierung soll die Bahn die Probleme möglichst schnell in den Griff bekommen.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2019
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