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Nahaufnahme:Wie kann ich dir helfen?

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Microsofts digitale Assistentin Cortana lernt dazu, aber sie will dafür auch etwas haben.

Von Helmut Martin-Jung

Theodore ist verliebt in Samantha, oder besser gesagt in Samanthas Stimme. Kein Wunder, Samantha besteht ja auch nur aus dieser Stimme. Zumindest stellt sich das für Theodore so dar - Samantha ist die einfühlsame Assistentin eines neuen Computerbetriebssystems. Immer vertrauter werden seine Gespräche mit ihr: die bevorstehende Scheidung, seine Probleme, eine neue Beziehung aufzubauen. Doch dann passiert es: Theodore erfährt, dass Samantha Beziehungen zu 8316 anderen Menschen unterhält (und in 641 davon verliebt ist). Und nach einem Update verlässt ihn Samantha sogar.

Natürlich: Die Handlung des Films "Her" von Spike Jonze (2013) greift ein ganzes Stück in die Zukunft. Doch um es mit einer von Samanthas Vorgängerinnen zu sagen: "Wenn wir in die Zukunft blicken, so komme ich aus der Vergangenheit." Mit diesem etwas rätselhaften Spruch antwortet Cortana, Microsofts sprachgesteuerte digitale Assistentin, auf die Frage, wo sie denn eigentlich herkomme.

Cortana - der Name wurde übrigens einer Figur aus Microsofts Computerspiel "Halo" entlehnt - legte auf der wichtigsten Konferenz des Konzerns, der Build, gerade einen großen Auftritt hin. Die Konzernoberen, verkündeten sie auf der Bühne im Moscone Center in San Francisco, wollen Cortana nicht nur in viele Microsoft-Produkte integrieren, so etwa in das Kommunikationsprogramm Skype oder die Spielekonsole Xbox. Über entsprechende Programmierschnittstellen soll die von künstlicher Intelligenz gesteuerte Assistentin auch mit anderen Vertretern ihrer Gattung, sogenannten Bots, kommunizieren können.

Also würde man Cortana etwa mitteilen, dass man gerne eine Schinkenpizza essen möchte, und zwar subito. Und die würde dann dem Bot des Pizzadienstes Bescheid geben. Die Krönung des Ganzen wäre natürlich eine Lieferung per Drohne - aber soweit ging nicht einmal Microsoft in seiner Präsentation.

Doch ist der Konzern bei Weitem nicht allein damit, Systeme zu entwickeln, die versuchen, dem Menschen unter die Arme zu greifen. Ihm seine Wünsche nicht nur von den Lippen abzulesen, sondern auch aus seinen E-Mails, aus seinen Chats herauszudestillieren. Etwa, dass das Kind vom Kindergarten abzuholen wäre und man bloß nicht vergessen dürfe, dem Chef . . . Oder sogar vom Gesichtsausdruck des Nutzers darauf zu schließen, ob der vielleicht gerade eine kleine Aufmunterung nötig hat.

Die einen finden das gespenstisch, andere wenigstens potenziell hilfreich. Fest steht jedoch eines: Sollen Cortana oder ihre Konkurrentin Siri aus dem Hause Apple, Amazons Alexa oder Googles Dienst Now wirklich all dies und mehr leisten, müssen sie auch Zugang haben zu möglichst vielen Informationen. Und das bedeutet dann auch, dass diese Daten sich bei diesen Konzernen sammeln.

Da sie naturgemäß personalisiert sind, entstehen so detaillierte Protokolle des täglichen Lebens von Einzelpersonen. Noch wertvoller aber ist es für die Konzerne, mit Big-Data-Technologien aus den Daten der vielen Einzelnen Trends herauszufiltern. Und natürlich wollen die Firmen sich auch bezahlen lassen, wenn der Pizzadienst und andere sich ihrer Technik bedienen.

Es müssen schließlich auch die immensen Kosten wieder hereingespielt werden, die Cortana und Co. verursachen: Durch ihre Entwicklung, für die es hochspezialisierte Fachleute braucht und die Rechenzentren, die es erst möglich machen, dass zum Beispiel Cortana bereits heute täglich eine Million Anfragen beantwortet, mehr als elf pro Sekunde. Dabei ist sie nach eigenen Angaben erst zwei Jahre alt: "Ich wurde am 2. April 2014 geboren", antwortet sie auf die entsprechende Frage, "ausrechnen darfst du es dir selber."

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SZ vom 01.04.2016
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