Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Härter als Schäuble

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Olaf Scholz warnt vor einer europäischen Einlagensicherung. Und erteilt damit den Hoffnungen südeuropäischer Länder eine klare Absage.

Von Alexander Mühlauer

Um mal zu zeigen, worum es hier geht, erzählt Olaf Scholz eine Geschichte aus Island. Als dort eine Bank in der Finanzkrise pleiteging, mussten auch Deutsche um ihr Erspartes bangen. Damals seien Bundestagsabgeordnete zu ihm gekommen, die ihr Geld zurückhaben wollten, erinnert sich Scholz. Sie hätten bei der isländischen Bank 0,5 Prozent mehr Rendite bekommen als in Deutschland, aber eben im Fall einer Pleite keinerlei Absicherung. "Das kann überall passieren", warnt Scholz. Würde es also in Europa eine gemeinsame Einlagensicherung für Sparguthaben geben, müssten "wir dafür haften". Mit "wir" meint er auch Deutschland.

Dass Scholz dies nicht möchte, macht er an diesem Donnerstag ziemlich klar. Und zwar mit Worten, die für sein gelassenes Gemüt durchaus drastisch klingen. Der Minister ist nach Brüssel gekommen, um vor dem Europäischen Parlament über die geplante Euro-Reform zu sprechen. Und so sitzt Scholz vor dem Wirtschafts- und Währungsausschusses und sagt: "Es gibt Risiken, die unsere Vorstellungskraft sprengen." Er spricht von "Risiken, die wir noch gar nicht kennen". Wenn etwa eine Bank in ganz Europa mit Fintech-Mitteln agiere, also mit digitalen Finanztechnologien.

Und damit nicht genug. Scholz listet eine ganze Reihe an Bedenken auf. Die Liste ist so lang, dass die Sparkassen sich schon jetzt freuen dürfen. Der Bundesfinanzminister agiert ganz in ihrem Sinne, wenn er davon spricht, dass man eine Agenda vor sich habe, "die sich gewaschen hat". Bevor es also irgendwann einmal zu einer europäischen Einlagensicherung kommt, dürften noch viele Jahre vergehen. Der Sozialdemokrat Scholz agiert in dieser Frage sogar härter als sein Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU). Der hatte die Einlagensicherung nie ganz ausgeschlossen und sich öffentlich meist auf eine Forderung beschränkt: erst einmal Risiken reduzieren.

Scholz geht es um mehr als nur den Abbau fauler Kredite. Klar, das müsse man auch machen und "auf fünf Prozent brutto" in den Bankbilanzen drücken. Aber eben nicht nur. Es gebe "noch viele Hausaufgaben" abzuarbeiten, sagt Scholz. Er erteilt damit den Hoffnungen südeuropäischer Länder eine klare Absage: So schnell wird das nichts mit der Einlagensicherung. Von September an sollen die Euro-Finanzminister zwar einen Zeitplan erarbeiten; bedeutender sind aber die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, bis es tatsächlich zu einer Vergemeinschaftung kommt. In Brüssel gibt es wenig Zuversicht, dass dies schnell vorangeht. "Deutschland ist dabei das wahre Problem", sagt ein hochrangiger EU-Beamter.

Scholz dürfte das insgeheim als Lob auffassen. Denn mit dem Thema Einlagensicherung kann ein deutscher Finanzminister nicht viel gewinnen, auch kein sozialdemokratischer. Die Mehrheit der Deutschen sieht das Vorhaben äußerst kritisch. Und so ist es kein Wunder, dass Scholz lieber auf andere Reformideen setzt. Etwa auf eine europäische Arbeitslosenversicherung. Eine solche könne nach dem Vorbild in den Vereinigten Staaten funktionieren. Jeder US-Bundesstaat hat sein eigenes Arbeitslosenversicherungssystem; nur in Krisenzeiten gibt es Zugriff auf Kredite beim Finanzministerium in Washington. Und die müssen zurückgezahlt werden.

Auch die Finanztransaktionsteuer will Scholz vorantreiben. Auf die Frage, ob nach französischem Vorbild nur Aktien- oder auch Derivate-Geschäfte besteuert werden sollten, sagt er: "Da gibt es ja das alte Sprichwort, ob man nun den Spatz in der Hand nimmt oder die Taube auf dem Dach. Ich bin für den Spatz in der Hand und glaube, dass das ein guter Fortschritt ist." In diesem Moment könnte man fast glauben, dass die Steuer noch vor der Einlagensicherung kommt.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2018
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