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Nahaufnahme:Die Zahlen-Frau

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Caren Sureth-Sloane ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre. Ihre Forschungsergebnisse will sie mit anderen teilen. Deshalb hat sie viele Wissenschaftler in ihr Projekt geholt.

Von Louis Groß

"Ich bin ein ziemliches Arbeitstier und habe Spaß an dem, was ich mache", sagt Caren Sureth-Sloane. Dann schiebt sie hinterher: "Wenn ich Zeit gehabt hätte, länger darüber nachzudenken, wäre mir bestimmt etwas Intellektuelleres eingefallen." Sureth-Sloane ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Paderborn. Sie hat früh gemerkt, dass sie gern mit Zahlen arbeitet. Vor dem Studium machte sie eine Lehre zur Bankkauffrau - nun forscht die 52-Jährige über ein Thema, dem der Branche ihres ehemaligen Ausbildungsbetriebes oft nachgesagt wird, es gebe dort zu wenig davon: Transparenz.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist dieser Ansatz viel Geld wert - von Anfang Juli an wird das Projekt "Accounting for Transparency" für zunächst vier Jahre mit zwölf Millionen Euro gefördert. Finanzkrise, Panama- und Paradise Papers, verschiedene Leaks und Debatten um Nachhaltigkeit - in der Vergangenheit habe es eine ganze Reihe Skandale gegeben, die den Ruf nach mehr Transparenz befeuert hätten, erzählt die Forscherin und ist sich sicher: "Das ist etwas, das die Menschen bewegt." Doch halten die in der Folge erlassenen Regeln und Gesetze überhaupt, was sie versprechen? Welche Auswirkungen haben sie auf Wirtschaft und Gesellschaft? Das möchte Sureth-Sloane nun mit einer Gruppe von mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herausfinden.

Als Beispiel für das Problem nennt sie Starbucks. Dem Kaffeeproduzenten schlug vor einigen Jahren eine Welle der Empörung entgegen, weil er sich davor drückte, Steuern zu bezahlen. Die Folge war eine Flut neuer Regeln, die Firmen verpflichten sollten, mehr Informationen preiszugeben - sprich transparenter zu sein - zum Beispiel gegenüber Finanzämtern oder Anteilseignern. Laut Sureth-Sloane verfehlten viele dieser Regeln jedoch ihren Zweck. "Man weiß nicht genau, ob diese Instrumente überhaupt etwas verändern oder möglicherweise Nebenwirkungen haben", sagt sie. Werden Unternehmen wirklich nachhaltiger? Oder reden sie nur mehr über Nachhaltigkeit? Hier sei gute Forschung nötig.

Sureth-Sloane, die den britischen Nachnamen von ihrem Ehemann hat, stammt aus einer Unternehmerfamilie. "Vor allem Steuerthemen treiben mich um", sagt sie. Seit 2002 ist sie Professorin in Paderborn, trotz zahlreicher Rufe an andere namhafte Universitäten. Sie spricht - in typisch wissenschaftseigenem Duktus - über Berichtspflichten und Informationskosten, hält inne und formuliert einige verschachtelte Sätze noch einmal neu. Die Wissenschaftler um Sureth-Sloane verfolgen einen Open-Science-Ansatz, das heißt, sie stellen die gewonnenen Daten anderen Forschern und der breiten Öffentlichkeit systematisch zur Verfügung. "Wir wollen die Forschungswelt in der Betriebswirtschaftslehre revolutionieren", sagt sie.

Die Professorin ist überzeugt: "Die vielschichtigen Probleme, denen die Betriebswirtschaft heute gegenübersteht, kann man als Einzelkämpfer nicht mehr lösen." Die am Projekt beteiligten Wissenschaftler arbeiten an Universitäten im ganzen Land. Dass eine Gruppe an Forschern zusammengekommen ist, berauscht sie: "Wir haben Kompetenzen gebündelt und eine kritische Masse überschritten, sodass wir in der Wissenschaft - aber auch außerhalb - Spuren hinterlassen können". Man müsse bereit sein, viele Wochenenden und Nächte zu investieren, um diese Menge an Wissenschaftlern bei der Stange zu halten, sagt Sureth-Sloane. Seit zwei Jahren arbeitet sie mit ihrem Berliner Kollegen Joachim Gassen daran, das Projekt auf die Beine zu stellen - mit Erfolg. "Die Förderung ist für uns eine große Sensation", sagt die Professorin.

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SZ vom 02.07.2019
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