Süddeutsche Zeitung

Lebensmittel:Teure Verschwendung

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Die Bundesregierung will die Menge weggeworfener Nahrungsmittel bis 2030 stark reduzieren. Das kann nur gelingen, wenn Verbraucher ihr Verhalten grundsätzlich ändern. Freundliche Appelle allein helfen wenig.

Von Silvia Liebrich

Selten zuvor haben die Deutschen so viele Lebensmittel gehortet wie in der Zeit der Corona-Pandemie. Mehl, Hefe oder Nudeln waren besonders gefragt. Einige Menschen schafften sich sogar Tiefkühltruhen an, aus Angst, dass etwa frisches Fleisch knapp werden könnte. Inzwischen steht fest, dass diese Sorgen unbegründet waren. Die Lebensmittelversorgung war in den vergangenen Monaten zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Was bleibt sind Vorräte, die womöglich in absehbarer Zeit im Abfall landen, weil sie nicht rechtzeitig aufgebraucht werden.

Die Zahlen sind erschreckend: Mehr als 12 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr enden in Deutschland im Müll, im Wert von 25 Milliarden Euro. Die Bundesregierung will diesen Abfallberg bis 2030 auf die Hälfte reduzieren. Ein Ziel, dass nach dem Stand jetzt jedoch klar verfehlt wird, wenn Verbraucher ihren Umgang mit Nahrung nicht grundsätzlich ändern.

Krumme Karotten, verwachsene Kartoffeln kommen erst gar nicht in den Handel

Tatsache ist, dass mehr als die Hälfte aller Lebensmittel zu Hause verdirbt oder aussortiert wird. Daran hat sich zuletzt kaum etwas geändert. Dabei wären viele Produkte noch genießbar. Viele Lebensmittel sind in der Regel auch noch nach dem angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatum verzehrbar, bei optimaler Lagerung oft auch noch sehr viel später, ausgenommen etwa frische Fleisch- und Wurstwaren.

Überschätzt wird dagegen der Anteil an Nahrungsmitteln, der direkt im Handel verloren geht. Das staatliche Thünen-Institut geht hier lediglich von einem Anteil von vier Prozent aus, während ein Drittel der Lebensmittel bereits auf dem Acker oder in der Verarbeitung verloren gehen. So werden etwa krumme Karotten oder verwachsene Kartoffeln gar nicht erst geerntet, sondern gleich wieder untergepflügt. Gibt es technische Probleme in der Verarbeitung, landet ein nicht unerheblicher Teil im Container. In die Tonne wandert auch, was am Frühstücksbüffet im Hotel oder nach dem Essen im Restaurant auf dem Teller liegen bleibt.

Handel und Erzeuger nehmen das Problem der Verschwendung von Lebensmitteln inzwischen ernst. Sie versuchen, das Problem mit technischer Aufrüstung und Innovationen zu lösen. In den vergangenen Jahren hat sich hier eine neue Dienstleistungsszene entwickelt. Junge Unternehmen und gemeinnützige Organisationen haben sich der Rettung von Lebensmitteln verschrieben. Sie nehmen dem Handel aussortierte Ware ab. Was noch in Ordnung ist, verarbeiten sie zu neuen Lebensmitteln. Aus frischen Tomaten und Hackfleisch entsteht so eine länger haltbare Pasta-Sauce. Was nicht mehr genießbar ist, wird zu Tierfutter.

Vor allem jüngere Menschen werfen viel zu viel weg

Was jedoch fehlt, ist eine wirksame Strategie, um Verbraucher zu sensibilisieren. Nur wenn es gelingt, die Abfallmengen in privaten Haushalten drastisch zu reduzieren, lässt sich die Verschwendung von Lebensmitteln spürbar eindämmen. Hier verlässt sich die Politik bisher zu sehr auf die Vernunft und Einsicht der Bürger. Es braucht mehr Aufklärungskampagnen, etwa in Schulen oder im Handel. Untersuchungen zeigen, dass vor allem in Haushalten mit jüngeren Mitgliedern mehr weggeworfen wird. Was auch daran liegen dürfte, dass es an Wissen und Wertschätzung mangelt. Diese Lücke gilt es zu schließen. Jeder Einzelne kann seinen Betrag leisten. Da hilft es schon, vor dem nächsten Einkauf genau zu überlegen, was wirklich gebraucht wird und wie sich auch Reste verwerten lassen.

Klar sollte allen Verbrauchern sein: Jedes nicht verzehrte Nahrungsmittel ist eine zusätzliche Belastung fürs Klima. Gelingt es die Abfallmenge wie geplant um die Hälfte zu senken, könnte Deutschland seine durch den Lebensmittelkonsum verursachten Treibhausgasemissionen um zehn Prozent senken. Allein das sollte Anreiz genug sein, vernünftiger mit Essen umzugehen.

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