Süddeutsche Zeitung

Nachhaltig investieren:Grüner Schein

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Der Markt für nachhaltige Anleihen ist begehrt. Manchen Papieren fehlt es aber an der nötigen Transparenz, wie nachhaltig das Geld wirklich investiert wird. Schon der Name mancher Emittenten lässt an der guten Absicht zweifeln.

Von Caspar Dohmen, Köln

Sie sind noch neu, aber die grünen Anleihen kommen bei den Anlegern gut an. Die Aussicht, Geld für nachhaltige Investitionen zu verleihen und damit noch Rendite zu erzielen, klingt verlockend. Die Emission grüner Anleihen sei von 2012 bis 2015 von 1,25 auf 37 Milliarden Dollar gestiegen, schreibt die Nichtregierungsorganisation Südwind in einer Studie, die von der evangelischen Kirche und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in NRW gefördert wurde. Das Ziel ist recht ambitioniert: Die nachhaltigen Investitionen sollen dazu beitragen, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter unter zwei Grad Celsius zu halten. Viele Maßnahmen sind dazu erforderlich, und sie kosten viel Geld. Die Rede ist von mehreren Billionen Euro, egal ob für den Ausbau regenerativer Energie oder eine bessere Energieeffizienz. Regierungen hoffen, dass die Mittel nicht nur aus öffentlichen Kassen, sondern auch privat aufgebracht werden - etwa von Pensionsfonds, Staatsfonds, Versicherungen oder Stiftungen mit ihrem weltweiten Anlagevermögen von 100 Billionen Dollar.

Die grünen Anleihen gelten als ein Weg, Geld für nachhaltige Investitionen einzusammeln. In einer ersten Welle haben vor allem öffentliche Förderbanken wie die Weltbank und die Europäische Entwicklungsbank grüne Anleihen zur Finanzierung sozialer und ökologischer Projekte ausgegeben, in einer zweiten Welle nutzen seit 2014 vermehrt auch Unternehmen diese Form der Kapitalaufnahme, darunter Unilever, Apple und Starbucks.

Schon manche Namen machen misstrauisch. Wie "grün" sind die Anleihen wirklich? Oder waschen sich die Unternehmen mit den Papieren nur rein? Fließt durch grüne Anleihen mehr Kapital in nachhaltiges Wirtschaften? Dafür "gibt es bisher keine Hinweise", schreibt die Studienautorin Antje Schneeweiß mit Blick auf 567 grüne Anleihen, die bis Anfang 2016 aufgelegt wurden. So sieht das auch die Nachhaltigkeitsratingagentur Oekom Research. Und der Grünen-Politiker Gerhard Schick sagt: "Mein Eindruck ist, dass einige Anleihen sowieso emittiert worden wären, auch ohne Öko-Etikett." Von daher überrasche ihn das Ergebnis der Studie nicht. Es ist also völlig unklar, ob die grünen Anleihen ihrem Titel gerecht werden. Sicher nicht alle. Den Titel "grüne Anleihe" kann sich fast jeder Emittent anheften.

Eine Art "Bio-Siegel" für Finanzprodukte würde den Anlegern helfen

Kritik gibt es vor allem an der Transparenz. Sie lasse "bei der überwiegenden Zahl von Emittenten zu wünschen übrig", heißt es in der Studie. So veröffentlichten beispielsweise weder die African Development Bank noch der Stromversorger Engie oder das Immobilienunternehmen Unibail-Rodamco die Projekte, die sie über ihre grünen Anleihen finanzierten. Dabei sind alle drei Emittenten Mitglied der Green Bond Principles, eines Zusammenschlusses von Akteuren, die einen freiwilligen, allgemein akzeptierten Standard für grüne Anleihen entwickelten.

Freiwilligkeit alleine reiche nicht aus, findet Autorin Schneeweiß, vielmehr sei der Gesetzgeber gefragt. Die Politik solle beispielsweise die Veröffentlichung aller aus einem grünen Bonds finanzierten Projekte vorschreiben. Diese hält auch Oekom Research für sinnvoll: "Staatliche Regulierung kann helfen, zum Beispiel wenn es um Transparenzanforderungen geht", sagt Kristina Rüter von Oekom Research. Sie schlägt vor, die Definition klarer zu fassen und die Berichterstattung über die Mittelverwendung deutlich zu verbessern. Die staatseigene KfW-Bank rät dazu, bei der Regulierung des grünen Anleihemarktes vorsichtig zu sein. "Wenn überhaupt", sollte diese "nur sehr behutsam initiiert werden". Der Grüne Gerhard Schick schätzt, dass Anleger mit der großen Intransparenz bei nachhaltigen Anlagen ihre Probleme bekommen könnten. "Das schreckt ab", sagt er. Initiativen wie die Green Bond Principles oder Climate Bond Initiative seien daher zu begrüßen und für institutionelle Investoren ausreichend. Sie hätten viel Zeit und Personal, um sich mit den Details der verschiedenen Zertifizierungen zu beschäftigen. "Kleinanleger können das nicht", sagt Schick, der schon seit Jahren einen staatlichen Mindeststandard fordert, eine Art "Bio-Siegel" für Finanzprodukte. Frankreich gehe in diese Richtung und habe Ende 2015 ein Siegel vorgestellt. Doch im Finanzministerium in Berlin werde diese Entwicklung verschlafen, kritisiert er.

Als Anleger steht man vor kniffligen Entscheidungen: Was soll man beispielsweise davon halten, wenn - wie geschehen - die französische EDF als Betreiber von Atomkraftwerken eine grüne Anleihe ausgibt? Entscheidend sei, ob ein Unternehmen die Mittel einsetze, um den eigenen grünen Wandel voranzutreiben oder nur Mittel für Randaktivitäten eintreiben wolle, um mehr Mittel für das nicht nachhaltige Kerngeschäft zur Verfügung zu haben, sagt Rüter von Oekom Research. "Im Fall von EDF können wir keinen Strategiewechsel erkennen." Im Endeffekt könnte also weniger mehr sein: "Weniger Green Bonds, die jedoch konsequent und transparent grüne Projekte fördern, könnten auf lange Sicht dem Instrument förderlicher sein als ein hohes Volumen, bei dem aber ungewiss ist, ob dieses Kapital tatsächlich nachhaltig eingesetzt wird", heißt es in der Südwind-Studie.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2016
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