Süddeutsche Zeitung

Mode:Aufräumen bei Benetton

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Benetton hat in den vergangenen Jahren Kunden und Coolness verloren. Ein neuer Chef soll das nun ändern. Er ist der erste, der von außen kommt. Geht das gut?

Von Ulrike Sauer, Castrette

Die Uniform des Mailänder Unternehmensberaters hat er nach vier Monaten abgelegt. Marco Airoldi sitzt im weißen Polo-Shirt hinter seinem Schreibtisch in einer flachen Fabrikhalle. Eine stilisierte Masche, dezentes Markenlogo der United Colors of Benetton, ziert die Brust. Über dem Stuhl hängt ein leuchtend roter Pulli. Airoldis spartanisches Büro liegt dort, wo früher die Konfektion untergebracht war und heute die Unternehmensprozesse gesteuert werden: in Castrette, im Hinterland Venedigs, dort, wo das Herz von Benetton schlägt. Hier zu arbeiten sei ein Vorteil für jemanden, der von außen kommt. "Ich bin schließlich nicht hier geboren", sagt er. Es klingt selbstverständlicher, als es ist.

Airoldi ist der erste Unternehmenschef einer neuen Benetton-Ära. Er ist der erste externe Manager, den die Gründer mit umfassenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet haben. Es ist so etwas wie eine Stunde Null beim italienischen Mode-Multi, nach fast 50 Jahren. Die Villa Minelli, das Hauptquartier des Modekonzerns, liegt nur wenige Kilometer entfernt. In der feudalen Residenz aus dem 18. Jahrhundert haben die Familienmitglieder und Airoldi ihre mit Fresken geschmückten Büros. Den Neuen trifft man dort selten an.

Natürlich lernte Airoldi das pfiffige Geschäftsmodell der vier Geschwister schon in jungen Tagen kennen, als er Anfang der Achtzigerjahre die Mailänder Managerschmiede Bocconi besuchte. Wie in Harvard beschäftigte man sich dort mit der Fallstudie der Modefirma. "Das Unternehmen war ja geradezu revolutionär, es hat die Spielregeln der Modebranche verändert", sagt Airoldi. Benetton war bunt, schnell, unkonventionell. Und "verdammt innovativ". Es war eine Zeit, in der er als Student "selbstverständlich" Benetton trug. Ein Trendlabel. Und heute? Eher belanglos. Eben eines von vielen.

Andere Modeunternehmen zogen davon

Für die Firmengründer Benetton war der Schritt in die Selbständigkeit 1965 die Befreiung aus der Armut. Ihr Geschäftsmodell war genial auf ihre Bedürfnisse als mittellose Emporkömmlinge zugeschnitten. Irgendwann blieb man stehen. Genau wie Italien, der Blitzaufsteiger, der es in den vergangenen zwei Jahrzehnten verpasst hat, sich der globalen Wirtschaftswelt anzupassen. Benetton wurde zum Nachzügler, hechelt heute Konkurrenten wie Zara und Hennes & Mauritz hinterher. Italien und Benetton - beide müssen darum kämpfen, die Bedingungen für Wachstum neu zu erschaffen.

Airoldi ist seit Mai dabei, den trägen Maschen-Multi umzukrempeln. Leise, detailinteressiert, gründlich. Der gelernte Chemiker geht Dingen gern auf den Grund. Vor allem bombardiert er das Unternehmen mit Fragen. Eine Tätigkeit, die in der eingefahrenen Routine in der Villa Minelli zuletzt arg vernachlässigt worden war.

Der 54-Jährige kommt von der Unternehmensberatung Boston Consulting. Ein echter Außenseiter ist er nicht. Seit 20 Jahren arbeitet der Berater mit den Benettons zusammen. Und in den Neunzigerjahren, leitete er sogar das Europa-Geschäft der privatisierten Raststättenkette Autogrill, die von den Benettons auf einen internationalen Expansionskurs getrieben wurde.

Dass United Colors schon seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr wettbewerbsfähig sind, ließe sich am Umsatz ablesen, sagt der Benetton-Chef. Von 2,1 Milliarden Euro 2008 ging es stetig bergab, im vergangenen Jahr waren es nur noch 1,6 Milliarden Euro - ein Minus von elf Prozent allein 2013. "Dieser Rückgang war von uns gesteuert", betont Airoldi. Von 6000 Läden blieben 5000 übrig. Die Italiener zogen sich aus 60 von 120 Ländern zurück. Die Sanierungskosten schlugen sich in der Bilanz 2013 mit einem Verlust von 200 Millionen Euro nieder Die Aufräumarbeiten werden auch das Ergebnis 2014 belasten.

Fragt man Airoldi nach den Bürden der Vergangenheit, malt er das alte Organigramm von Benetton auf die oberste Seite eines Papierstapels vor ihm. Da hätten sich viele Schichten abgelagert, die die Reaktionszeit verzögern. Nun wurden viele Baustellen quer durch den Konzern aufgemacht. Sie sollen Benetton schneller und offener nach außen machen.

Der Ex-Berater ist schon der fünfte Unternehmenschef seit Ende 2006. Klappt die Neuausrichtung nun - nach den Fehlversuchen der Vergangenheit? Airoldi zeichnet eine steile Kurve auf ein neues Blatt Papier. Sie gibt das Wachstum des Stammgeschäfts der Benettons wieder. Auf dem Höhepunkt der Kurve habe die Familie ihr diversifiziertes Firmen-Imperium Edizione Holding generiert (siehe Kasten). Die zugekauften Tochterunternehmen wurden von Anfang an in die Hände von externen Managern gelegt. Nur in dem Unternehmen, das ihren Namen trägt und das sie selbst gegründet haben, konnten die Benettons nicht loslassen.

Der erste Chef, der nicht Benetton heißt

Den Weg frei geräumt hat Alessandro Benetton, der Sohn von Gründer Luciano. Er übernahm 2012 für zwei Jahre die operative Konzernführung und bereitete die Abnabelung vor. Der Junior rief Boston Consulting zur Hilfe. In seinem Auftrag arbeitete Airoldi den Umbauplan aus, den er nun umsetzen muss.

Der Drei-Jahres-Sanierungsplan wurde Ende 2013 verabschiedet. Er sieht eine Aufspaltung von Benetton in drei eigenständige Sparten vor. Die Marke United Colors, die Produktion und der Vertrieb - jede für sich muss profitabel sein und kann für andere Auftraggeber arbeiten. In drei Jahren will Airoldi sie öffnen und auf Partnersuche gehen. Vorher muss er das Grundproblem Benettons beseitigen: Das Unternehmen ist mehr auf die Bedürfnisse seines Franchising-Netzes ausgerichtet als auf die des Marktes. Das soll sich ändern.

Airoldi versucht, alte Benetton-Stärken in die Zukunft zu übertragen. Er setzt auf Strickwaren, auf Farbe, auf Qualität - und die italienische Herkunft der Marke. Im neu gestylten Benetton-Laden am Mailänder Dom kommt das frische Image gut an. Die Umsätze stiegen seit der Wiedereröffnung im Frühjahr um 50 Prozent. Das Ladenkonzept "On Canvas" will der Benetton-Erneuerer nun auch nach Deutschland bringen. Den Anfang machen zwei Geschäfte in Berlin und München.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2014
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