Mitbestimmung bei Facebook:Alle Souveränität geht von Zuckerberg aus
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Eigentlich wollte Mark Zuckerberg Facebook zu einem Ort der Mitbestimmung machen. Doch anstatt die etwa eine Milliarde Mitglieder an der Zukunft des sozialen Netzwerks mitwirken zu lassen, schafft das Unternehmen jetzt auch noch die einzige verbindliche Abstimmungsmöglichkeit ab.
Varinia Bernau
Man stelle sich vor, die Bundeskanzlerin würde die Abschaffung demokratischer Wahlen ausrufen - mit dem Argument, dass sich in Deutschland zu viele Leute mit dummen Ideen in Debatten einmischen, aber zu wenige den Weg in die Wahlkabine finden. Absurd? Genau dies tut gerade Mark Zuckerberg. Zwar hat der 28-Jährige sein Reich namens Facebook selbst gegründet. Aber er tat dies mit einem Versprechen an all jene, die es besiedeln sollten: Er wollte einen Ort schaffen, an dem nicht mehr die Elite aus der alten Welt das Sagen hat. Einen Ort, an dem sich jeder mit jedem austauschen, jeder mitmachen und mitbestimmen kann. Es ging um Demokratie. Das Versprechen ist vergessen.
Facebook wird, so hat das Unternehmen jetzt angekündigt, seine mittlerweile mehr als eine Milliarde Mitglieder nicht mehr wie bisher befragen, ehe das Netzwerk einzelne Regeln, etwa beim Datenschutz, ändert. Dies ist mehr als ein technisches Detail. Es ist das offene Eingeständnis, dass es Zuckerberg vielleicht nie so ganz ernst war mit der Demokratie, ihm ganz gewiss aber am schnellen Geld und an Macht gelegen ist.
Aufrichtig war Facebook auch bisher nicht, wenn es um die Mitbestimmung der Mitglieder ging. Zu versteckt ist der Knopf zur Abstimmung am unteren Ende einer gesonderten Seite. Zu hoch ist das Quorum von 30 Prozent der Mitglieder, die mitstimmen müssen, damit sich Facebook verpflichtet fühlt, sich an das Votum zu halten. Doch statt sich Gedanken über geeignetere Wege der Teilhabe zu machen, erklärt Facebook das Experiment nach vier Jahren für gescheitert - und vergibt sich so die Chance, ein Netzwerk zu bauen, das nicht nur Werbekunden, sondern auch Mitglieder bei Laune hält.
Ausgeheckt hat Zuckerberg Facebook in seiner Studentenbude als eine Plattform, um Kommilitoninnen zu bewerten. Später wurde daraus ein Werkzeug - für Kunden, die über die Zusammensetzung eines Shampoos entscheiden, ebenso wie für Veganer, die Wurstscheiben in einem Werbespot für eine Bank ziemlich daneben finden. Für Spieleentwickler mit kleinem Budget ebenso wie für jene Menschen, die im arabischen Frühling die Deutungshoheit ihrer Despoten sprengten. Manches von dem, was Facebook ermöglicht, ist belangloser Zeitvertreib, manches hat die Welt bereichert. Aber immer ging es um Mitbestimmung.
Zuckerberg hat diese Klaviatur selbst dann noch mit viel Pathos bedient, als er im vergangenen Mai sein Unternehmen an die Börse brachte. Auch Kleinanleger, so betonte er damals, sollten eine Chance haben. Heute haben sie vor allem einen enormen Schaden. Nachdem gierige Investmentbanker den Wert von Facebook enorm aufgepumpt hatten, platzte die Blase: Fast 40 Prozent an Wert hat das Papier seit der Ausgabe verloren.
Dieses Unternehmen braucht Geld. Facebook, vor allem über Werbung finanziert, muss neue Wege finden, wie das Netzwerk die über seine Mitglieder gesammelten Daten so nutzt, dass Werbekunden mehr zahlen - etwa wenn sie ihre Anzeigen noch passgenauer platzieren können. Deshalb will Facebook, ganz ähnlich wie Google dies schon tut, die Daten aus dem eigenen Netzwerk mit jenem in dem kürzlich zugekauften Fotodienst Instagram verknüpfen. Mitglieder, die mitreden wollen, stören da nur.
Erst recht verwerflich ist, dass Zuckerberg alle jene, die er mit falschen Versprechungen gelockt hat, nun nicht einmal ziehen lässt. Noch immer konnte Facebook nicht glaubhaft machen, dass die Daten der Menschen, die sich endgültig abmelden, auch endgültig gelöscht werden. Hinzu kommt, dass sich Facebook längst ein Monopol geschaffen hat: Mag sein, dass es Netzwerke gibt, die besser auf den Datenschutz achten - aber was hilft das demjenigen, der dort keinen einzigen seiner Freunde findet?
Gemessen an der Zahl derer, die sich dort tummeln, ist Facebook das drittgrößte Land der Welt. Und die Frage, wie dort mit Vertrauen umgegangen wird, entscheidet über die Zukunft dieses Landes: Wird jemand noch posten, dass er gerade einen Kater hat, wenn er ahnt, dass sein Arbeitgeber, vielleicht auch seine Krankenkasse mitliest?
Als Herrscher über Facebook müsste Mark Zuckerberg eigentlich ein eigenes Interesse an einem respektvollen Miteinander in seinem Reich haben. Doch er ist offenbar nicht bereit, dafür selbst ein wenig seiner Macht abzutreten.