Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Mercedes setzt auf den Maybach-Reibach

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Der schwäbische Autobauer will sein Geld künftig vor allem mit Superreichen verdienen. Dort locken größere Gewinne. Günstigere Varianten von A- oder B-Klasse werden gestrichen.

Von Christina Kunkel

Natürlich senden sie von der Côte d'Azur, aus einem kleinen Ort an der Grenze zu Monaco genauer gesagt. Dort geladen sind neben Investoren und ausgewählten Kunden auch ein paar Influencer. Der Rest der Welt erfährt per Livestream, wie sich Mercedes seine Zukunft als Autohersteller vorstellt. In dieser gibt es immer mehr Menschen, die sich an Orten wie dem Fürstentum tummeln - weil sie es sich leisten können. Der schwäbische Autohersteller will nicht mehr in erster Linie möglichst viele Wagen verkaufen, sondern lieber mehr von denen, die am meisten Gewinne versprechen. Also mehr Maybachs, Sportwagen und Luxuslimousinen. Diese Strategie bedeutet allerdings auch, dass für immer mehr Menschen ein Wagen mit dem Stern unerschwinglich sein wird.

Dabei wollten die Schwaben einst weg vom reinen Luxusimage, hin zu mehr Bodenständigkeit. Unter dem früheren Firmenchef Dieter Zetsche, der selbst eher Lässigkeit als Glamour verkörperte, gab es dann auch die passenden Autos: Die A-Klasse machte die Fahrzeuge mit dem Stern auch für Menschen erschwinglich, die vorher nur von einem Mercedes träumen konnten. Auch wenn der Start holprig war wegen des Elchtest-Desasters (der Wagen kippte bei ruckartigem Lenken in einem Fahrtest einfach um), ging Zetsches Plan auf: Mercedes verdoppelte zwischen 2010 und 2017 seine Verkaufszahlen.

Man sollte meinen, für die jetzt so wichtige Mobilitätswende seien A- oder B-Klasse neben dem Smart die perfekten Wagen. Doch bei Mercedes sieht man das anders. Offiziell begraben will Firmenchef Ola Källenius die Einstiegsmodelle zwar noch nicht. Aber der Konzern kündigt an, die Karosserievarianten im unteren Preissegment von sieben auf vier zu reduzieren. Das lässt die Chancen schwinden, dass man nach 2025 - dann läuft die aktuelle A-Klasse-Generation aus - noch einen neuen Mercedes für weniger als 30 000 Euro kaufen kann. Wo zukünftig der Einstiegspreis für einen Wagen mit dem Stern liegt, dazu wollte sich Finanzvorstand Harald Wilhelm nicht äußern.

Bisher waren die kleinen, vergleichsweise sparsamen Wagen auch nötig, um die immer strikteren CO₂-Grenzwerte der Europäischen Union zu erfüllen. Doch das sei in ein paar Jahren nicht mehr nötig, betonte Källenius, schließlich soll bis 2030 sowieso ein Großteil der schwäbischen Fahrzeuge elektrisch und damit nach Rechnung der EU-Behörden klimaneutral fahren. Eine elektrische Luxuslimousine gilt nach den aktuellen Regeln als genauso umweltfreundlich wie ein Kleinwagen mit Batterie.

Reiche Kunden kaufen trotz aller Krisen teure Autos

Warum Mercedes den Weg zum reinen Luxusanbieter jetzt noch vehementer geht, dürfte auch mit Erkenntnissen aus den jüngsten Krisenjahren zusammenhängen. Obwohl der Hersteller wegen fehlender Chips, Produktionsstopps aufgrund der Corona-Pandemie und zuletzt Lieferengpässen durch den Krieg in der Ukraine viel weniger Autos baute und verkaufte, sind die Gewinne der Schwaben so hoch wie nie. Denn die Käufer von Luxuswagen lassen sich von all diesen Krisen nicht beeindrucken. Allein zwischen 2019 bis 2021 habe man im Luxussegment zwanzig Prozent mehr Autos verkauft, so Harald Wilhelm. Das neue Ziel: Bis 2026 will Mercedes den Absatz von Nobelkarossen gegenüber 2019 um 60 Prozent steigern.

Schon immer haben Hersteller an Premiummodellen mehr verdient als an kleineren Wagen. Mit dem Umstieg auf Elektroautos ist diese Schere noch einmal größer geworden. In kleine Wagen teure Batterien einzubauen, lässt die eh schon geringen Margen nochmals schrumpfen, während man den solventen Luxuskäufern auch problemlos ein paar Tausend Euro mehr obendrauf schlagen kann. Und von diesen Kunden wird es zukünftig mehr geben, davon ist man bei Mercedes überzeugt. Ein weitere Erkenntnis aus den jüngsten Krisenjahren: Wenn etwas knapp ist, weckt das Begehrlichkeiten. Wer einen noblen Mercedes haben möchte, muss unter Umständen Jahre warten, etwa auf das Geländemodell G-Klasse. Abgeleitet von der teuren Designermode, der "Haute Couture", spricht Mercedes-Chef Källenius von der "Haute Voiture", also den absoluten Luxusautos.

In Stuttgart betont man, dass diese Strategie mit dem Bekenntnis zu mehr Klimaschutz vereinbar ist. Schließlich seien auch die Luxusmodelle elektrisch unterwegs und würden zunehmend aus nachhaltigen Materialien bestehen. Umweltschützer überzeugt dieses Argument nicht: "Das Ziel, die wertvollste Luxus-Automobilmarke der Welt zu werden und das Fahrzeugangebot entsprechend darauf auszurichten, ist keine gute Nachricht für den Klima- und Umweltschutz," sagt Jens Hilgenberg vom Umweltverband BUND. Große Limousinen und schwere SUV seien kein "nachhaltiger Luxus", weder als reine Verbrenner noch als Plug-in-Hybride, aber eben auch nicht als E-Auto. "Sie verbrauchen bei Herstellung und Betrieb viel Energie, binden Rohstoffe und sind damit eben nicht nachhaltig."

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