Süddeutsche Zeitung

Abgasmanipulation:Mercedes muss mehr als 100 000 Diesel zurückrufen

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Kehrtwende beim Kraftfahrt-Bundesamt: Die Behörde stuft jetzt bestimmte Abschalteinrichtungen als illegal ein. Weitere Rückrufe könnten folgen.

Von Christina Kunkel

Obwohl mittlerweile alle Autohersteller vornehmlich von Elektroautos reden, sind die Nachwehen des Dieselskandals für den ein oder anderen Konzern noch nicht ausgestanden. Jetzt hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Mercedes aufgefordert, allein in Deutschland mehr als hunderttausend Diesel-Autos zurückzurufen und ihnen ein Softwareupdate zu verpassen.

Die Anordnung betrifft verschiedene Diesel-Modelle von Mercedes mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6b. Deren Besitzer werden laut Angaben des Autobauers schriftlich informiert, dass sie ihren Wagen in die Werkstatt bringen müssen, um dort eine neue Software aufspielen zu lassen. Der Rückruf ist verpflichtend. Wer dem auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht nachkommt, dem droht die Stilllegung des Fahrzeugs.

Gut möglich, dass bald andere Hersteller betroffen sind

Dieser Rückruf ist besonders knifflig für Mercedes, denn er zeigt zum ersten Mal die Auswirkungen einer neuen Rechtsprechung in Sachen Diesel-Skandal. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in einem Grundsatzurteil 2022 entschieden, dass sogenannte Thermofenster in der Regel eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Diese Technik ist jedoch in vielen Diesel-Autos verbaut und sorgt dafür, dass die Abgasreinigung der Fahrzeuge bei bestimmten Temperaturen abgeschaltet wird - wodurch die Autos eine große Menge giftiger Stickoxide ausstoßen. Die Hersteller argumentieren, diese Abschaltung sei nötig, um den Motor vor Schäden zu schützen. Dieses pauschale Argument wiesen die Richter am EuGH jedoch zurück.

Jetzt hat offenbar auch das KBA seine Einschätzung zu diesen Thermofenstern geändert und daher den großen Mercedes-Rückruf veranlasst. Es ist gut möglich, dass auch andere Hersteller bald Post von der Behörde bekommen, denn Autos mit solchen Thermofenstern gibt es noch Tausende auf deutschen Straßen, etwa von Audi oder VW. Und es dürfte Tausenden Dieselfahrern neue Hoffnung auf Schadenersatz geben, die gegen einen Autohersteller geklagt haben.

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