Süddeutsche Zeitung

Media-Markt:Tohuwabohu im Elektronikladen

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Der Händler steht schon wieder vor einem Führungswechsel. Eine Lösung ist nicht in Sicht, soll aber am Donnerstag präsentiert werden.

Von Michael Kläsgen, München

Die kriselnden Elektronikmärkte Media-Markt und Saturn kommen nicht zur Ruhe. Der Verbleib der gesamten obersten Chefriege steht schon wieder zur Disposition. Dabei wurde das Topmanagement erst vor gut einem Jahr ausgetauscht, auf der Ebene des mittleren Managements herrscht seit noch längerer Zeit Tohuwabohu. Drüber und drunter geht es auch in vielen der mehr als 1000 Märkte des 21 Milliarden Euro schweren Unternehmens. Die Unsicherheit bei den 62 000 Mitarbeitern dürfte leider vorerst anhalten, wie seit Dienstagabend feststeht.

Da verschickte die Media-Saturn-Mutter namens Ceconomy (Ce steht für Consumer Electronics) eine Ad-hoc-Mitteilung - eine Nachricht also, die für den Börsenwert des Unternehmens so wichtig sein könnte, dass es dazu verpflichtet ist, den Kapitalmarkt sofort darüber zu unterrichten. Ton und Inhalt der Mitteilung überraschten: Noch an diesem Donnerstag werde der Aufsichtsrat von Ceconomy "über eine mögliche vorzeitige Beendigung der Bestellung des Vorstandsvorsitzenden, Herrn Jörn Werner, beraten" und noch am selben Tag entscheiden. Man muss kein Insider sein, um daraus zu schließen: Werner, 58, der erst vor gut 200 Tagen den Chefposten antrat, ist kaum mehr zu retten.

Wer nach den Ursachen fragt, erhält keine plausiblen Antworten. Angeführt wird von Werner-Kritikern ein angeblich sang- und klanglos gescheiterter Strategievortrag von ihm bei der Aufsichtsratssitzung Mitte September. Chefaufseher Jürgen Fitschen, 70, ehemals Co-Chef der Deutschen Bank, habe Werner angeblich noch während der Ausführungen abgewatscht. Werner-Befürworter führen an, es habe sich dabei nicht um eine Beschlussvorlage gehandelt, sondern um ein Update von Informationen, über die seit langem breiter Konsens herrschte: mehr Kundenberatung, Mitarbeiterqualifikation, nicht nur reines Kostensparen, et cetera.

Eine Kollision der Alpha-Tiere war programmiert

Das wahre Problem ist wohl eher die Struktur: Werner ist der Chef einer Holding mit nur einer Beteiligung, der Media-Saturn-Holding, die wiederum ihren eigenen Chef hat. Dass dies mit dem Spanier Ferran Reverter seit gut einem Jahr ein besonders starker Charakter ist, verschärft die Strukturprobleme noch. Werner, ein Sanierer, der sich unter anderem als Chef der Auto-Werkstattkette ATU bewährte, verstand seine Rolle nicht als die eines Frühstückdirektors ohne Handlungsbefugnis. Seine Gegner, darunter auch Ferran Reverter, wollen ihn aber genau dort sehen: als bundespräsidialen Repräsentanten für die Kapitalmärkte.

Ferran Reverter, als ehemaliger Marktleiter ein intimer Kenner des operativen Geschäfts, wollte und konnte den Job, für den er geholt worden war, auch nicht einfach an den Nagel hängen: Er will die Märkte selber weiter aktiv umbauen. Dass beide aneinandergeraten würden, war programmiert. Der Konflikt hätte vermieden oder abgemildert werden können, wenn zwei Persönlichkeiten angetreten wären, die entweder gut miteinander können oder deren Jobbeschreiben klar definiert gewesen wäre. Warum Fitschen zwei Sanierer mit Tatendrang holte, verstehen weder Kritiker noch Befürworter der einen oder anderen Seite. Deswegen steht jetzt auch Aufsichtsratschef Fitschen in der Kritik. Wegen seiner Fehlgriffe redeten nun alle wieder nur über Personalien und Strukturen, heißt es, nicht aber über das Geschäftsmodell, dass von Onlinehändlern wie Amazon existenziell bedroht sei. Fitschen sagt auf Anfrage zu all dem nichts.

Zwei Buchstaben machen die Mitteilung interessant

Wie ein Ausweg aus dem Desaster aussehen könnte, steht nicht fest, eine Lösung soll aber bereits an diesem Donnerstagabend am Ende der Aufsichtsratssitzung beschlossen werden. Dass es nicht nur um die Ablösung von Werner geht, darauf deuten die beiden Buchstaben "u.a." in der Ad-hoc-Mitteilung. Die Personalie Werner ist damit nur eines von mehreren Themen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass MSH-Chef Ferran Reverter Werner nachfolgt und zusätzlich Ceconomy-Chef wird, auch wenn er mit Fitschen einen wichtigen Fürsprecher auf seiner Seite zu haben scheint. Der Spanier hat im Kreis der Aufsichtsräte einflussreiche Gegner, darunter offenbar Freenet-Chef Christoph Vilanek, dem selber einmal Ambitionen auf den Ceconomy-Posten nachgesagt wurden, diese am Mittwoch aber zerstreuen ließ. Denn er müsste dann den Chefsessel bei Freenet räumen.

Gemutmaßt wird vielmehr, dass auch Ferran Reverter weichen und einem starken Ceconomy-Chef Platz machen könnte, der dann mit Durchgriffsrechten bis in die Media-Märkte bestückt wäre. Nur: Wer könnte das sein? Derzeit drängt sich kein Name auf. Aufsichtsratsmitglied Bernhard Düttmann, der ehemalige Beiersdorf-Vorstand, steht offenbar wenigstens einmal mehr wie vor einem Jahr als Übergangslösung bereit. Aber damit wäre nur Zeit gewonnen. Die strukturellen, personellen und operativen Probleme blieben bestehen.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2019
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