Süddeutsche Zeitung

Luxleaks:Was soll man sagen?

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Die Großkonzerne müssen in Brüssel antreten: Vor dem Ausschuss zur Aufklärung der Lux-Leaks-Affäre erscheinen Vertreter von Apple, Google, Ikea und McDonald's. Sie haben leider nichts zu befürchten

Von Alexander Mühlauer, Peking

So ein Sonderausschuss ist an sich keine schlechte Idee, er soll ja vor allem eines bringen: Aufklärung. An diesem Dienstagnachmittag geht es um die Aufklärung in einem besonders schweren Fall. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments wollen ein Stück zur Wahrheitsfindung in der Lux-Leaks-Affäre beitragen. Geladen sind deshalb Vertreter der mutmaßlichen Steuervermeidungsoptimierer Apple, Google, Ikea und McDonald's. Die Enthüllungen rund um Lux-Leaks haben offenbart, wie gerissen die Konzerne agieren, um ihre Steuerlast so weit wie möglich Richtung null zu drücken.

Es wäre also die Möglichkeit, ausführlich zu fragen. Nachzuhaken. Immer wieder. Um dann am Ende ein Gesamtbild zu haben, das mehr zeigt als nur das, was man ohnehin schon weiß. Doch bevor überhaupt einer der Konzernvertreter zu Wort kommt, dämpft der Ausschussvorsitzende die Erwartungen: "In dreieinhalb Stunden können wir nicht alles besprechen, was wir gerne wissen wollen." So kann man das natürlich formulieren, man könnte aber auch sagen: So wird das nichts mit der erhofften Aufklärung. So zurückhaltend wie der Vorsitzende die Befragung beginnt, so harmlos macht er weiter: "Wir lassen uns erklären, wie die Unternehmen die Steuerlandschaft einordnen." Na dann mal los.

Als erstes sind zwei Vertreterinnen von Apple dran. Sie erklären in fünf Minuten, was ihr Unternehmen alles für Europa geleistet hat. 1,4 Millionen Arbeitsplätze geschaffen zum Beispiel. Dann die langjährige Verbundenheit zu Irland, wo Apples Europa-Sitz liegt. Und natürlich das Bekenntnis: "Wir zahlen Steuern im Einklang mit dem Gesetz." Das sagt der Vertreter von Google auch. Immerhin wird er konkreter: Er sei sehr für die Umsetzung der OECD-Vorschläge bei der Unternehmensbesteuerung. Wichtig sei nur, dass kein Flickenteppich entstehe und das Risiko von Doppelbesteuerung minimiert werde. Sollten sich Steuerregeln ändern, werde sich Google selbstverständlich daran halten. (Gilt auch für die anderen anwesenden Gäste.)

Dann kommt die Fragerunde. Und die ist, neben dem Faktor Zeit, schon das nächste Problem bei der Aufklärungsarbeit. Die Fragen sind so breit gefächert, manchmal sind es drei bis vier auf einmal, so dass die Konzern-Gesandten wunderbar ausweichen können. Vor allem können sie unkonkret bleiben. Manchmal wird nachgefragt, aber dann unterbricht schon der Vorsitzende: "Die Zeit ist vorbei."

Egal, die nächsten Abgeordneten sind dran. Sie wollen wissen, wie es um die Unternehmensethik bestellt ist. Sie wollen wissen, wie die Steuermodelle funktionieren. Und sie wollen wissen, wie hoch die Abgaben in den EU-Staaten sind. Alles gute Fragen. Meistens kommt darauf die Antwort, dass das Gesetz die Auskunft leider nicht erlaube. Und falls doch, kommen Sätze wie diese: "Wir sind der größte Steuerzahler der Welt" (Apple) oder "Es gibt viele Missverständnisse" (Ikea) oder "Wir zahlen beträchtliche Steuern" (McDonald's). Immer wieder hört man an diesem Dienstagnachmittag auch das Bekenntnis: "Wir investieren weiter in Europa."

Was soll man sagen? Die Gäste haben hier nichts zu befürchten. Das EU-Parlament ist eben nicht der US-Kongress. Dort wurden schon viele Konzernchefs in die Enge getrieben; sie wurden, wie es so schön heißt, gegrillt. Davon kann in Brüssel keine Rede sein. Bei ständig wechselnden Fragestellern und verschiedenen Themen können gar keine mutmaßlich rechtswidrigen Praktiken diskutiert werden. Die Zeit dafür ist einfach nicht vorgesehen.

Es heißt ja immer, es gebe keine dummen Fragen, es gebe nur dumme Antworten. Das mag sein, nur gibt es an diesem Dienstagnachmittag leider auch ziemlich naive Fragen, die es den Unternehmen allzu leicht machen. Was soll man auch antworten auf die Frage, ob Google soziale Verantwortung lebt, an die Umwelt denkt oder, jetzt mal ganz ehrlich, die Gesetze wirklich immer so ausnutzt, wie es gerade geht?

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Quelle:
SZ vom 16.03.2016
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