Süddeutsche Zeitung

Luftverkehr:Keine Besserung in Sicht

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Im vergangenen Jahr stiegen die Verspätungen im Luftverkehr dramatisch an, weil Lotsen fehlten. Die Deutsche Flugsicherung glaubt nicht, dass sie dieses Problem 2019 in den Griff bekommen wird.

Von Jens Flottau, Langen

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) räumt ein, dass die von ihr verursachten Verspätungen und Flugstreichungen in diesem Jahr noch weiter zunehmen könnten. Die flugsicherungsbedingten Verspätungen würden sich 2019 "möglicherweise noch etwas erhöhen", sagte DFS-Chef Klaus-Dieter Scheurle am Mittwoch. Dies müsse man "selbstkritisch sagen". Scheurle bestätigte damit die Befürchtungen der Fluggesellschaften und Flughäfen, dass die Flugsicherung ihre Personalengpässe auch nach dem chaotischen Sommer 2018 nicht schnell beheben kann. Derzeit fehlen allein der DFS rund 200 Lotsen, ein Mangel, der womöglich erst in fünf Jahren behoben werden kann. Und Scheurle warnt, dass auch die geplante Aufstockung bei den Lotsen nicht ausreichen wird, um den für das Jahr 2025 prognostizierten Flugverkehr zu bewältigen. Strukturelle Änderungen im europäischen Luftraum sind seiner Ansicht nach unvermeidbar, kommen aber nicht schnell genug voran.

Im vergangenen Jahr hat die Flugsicherung nach eigenen Angaben pro Flug statistisch eine Verspätung von 1,23 Minuten verursacht. 2016 waren es nur 0,22 Minuten, 2017 eine halbe Minute. Die Lage hat sich also innerhalb von zwei Jahren wegen des starken Wachstums des Luftverkehrs drastisch verschlechtert. Die Airlines sehen mittlerweile die Flugsicherung als die Hauptursache für die massiven Störungen - lange Verspätungen und Zehntausende gestrichene Flüge. Sie gehen davon aus, dass die tatsächlichen Folgen deutlich größer sind, als statistisch ausgewiesen. Dies gelte unter anderem deswegen, weil Folgeverspätungen, die die Flugzeuge den ganzen Tag über nicht aufholen können, separat berechnet werden. Auch Scheurle räumt nun ein, die Flugsicherung habe "einen erheblichen Teil zur Gesamtverspätung beigetragen".

Auch eine Regelung für zusätzliche Überstunden wird das Problem nicht lösen

Die Flugsicherungen müssen europaweit ihren Personalbedarf derzeit Jahre im Voraus basierend auf Vorhersagen planen. Nach der Finanzkrise von 2008 waren die Flugbewegungen zunächst stark rückläufig, die DFS baute 700 von gut 6000 Arbeitsplätzen ab. In den vergangenen Jahren näherte sich der Verkehr aber wieder dem alten Niveau an - 2017 überstieg die Zahl der Bewegungen erstmals den alten Rekord von 2008. Laut Scheurle hat die DFS im vergangenen Jahr 270 000 Flüge mehr kontrollieren müssen als in der Fünf-Jahres-Prognose vorgesehen. Im laufenden Jahr ist die Diskrepanz noch größer: Die Lotsen müssen zwischen 340 000 und 400 000 Flüge zusätzlich betreuen. Im Februar, einem der Monate, in denen am wenigsten geflogen wird, waren es pro Tag im Durchschnitt 246 Flüge mehr - unter anderem 48 zusätzliche Inlandsflüge und 31 zusätzliche Flüge von und nach Spanien. Ryanair, Easyjet und Lufthansa waren die drei Fluggesellschaften, die am stärksten für zusätzlichen Verkehr sorgten.

Die DFS hat zwar im direkten Betrieb, also bei den Lotsen, nicht gekürzt. Allerdings hat sie viel weniger Nachwuchslotsen ausgebildet, als sie nun bräuchte. Derzeit befinden sich 122 Lotsen in Ausbildung, im kommenden Jahr werden es 146 sein. Das Problem: Kurzfristig sorgen die Schulungen dafür, dass noch weniger Mitarbeiter die eigentliche Arbeit in den Kontrollzentralen und im Tower erledigen können, denn sie werden als Ausbilder gebraucht. Am vergangenen Montag haben nun Verhandlungen mit der Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) über eine Regelung für zusätzliche Überstunden begonnen, die im Sommer zumindest ein wenig helfen würde. "In guter Atmosphäre", wie Scheurle fand. Allerdings arbeiten die Lotsen im Sommer deutlich mehr als im Winter, weil dann mehr Flüge abgewickelt werden müssen. Die GdF rechnet deswegen selbst bei einer Einigung nicht damit, dass dadurch das Problem des fehlenden Personals ausgeglichen werden kann.

Auch finanziell war 2018 für die Deutsche Flugsicherung ein schwieriges Jahr. Sie machte einen Verlust von 30 Millionen Euro, nachdem sie 2017 noch einen Gewinn in gleicher Höhe ausgewiesen hatte. Niedrigere Gebühren und höhere Personalkosten waren die Hauptgründe.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2019
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