Süddeutsche Zeitung

Luftfahrtindustrie:EADS verkauft deutsche Airbus-Werke im Paket

Lesezeit: 3 min

Zuletzt hatte es bereits Gerüchte gegeben, nun ist es offiziell: Das Airbuswerk in Augsburg soll ebenso wie Varel und Nordenham verkauft werden. EADS-Chef Gallois nannte der Süddeutschen Zeitung die Kaufkandidaten.

Michael Kläsgen

Das Augsburger Werk des angeschlagenen Flugzeugbauers Airbus soll verkauft werden. Das teilte der Chef des Mutterkonzerns EADS, Louis Gallois, am Donnerstag mit.

"Wir haben beschlossen, Augsburg für die Liste der zum Verkauf stehenden Werke vorzuschlagen", sagte Gallois auf einer Pressekonferenz. Die endgültige Entscheidung werde fallen, wenn man Angebote von Übernahmekandidaten erhalten habe.

In der Vergangenheit hatten bereits Gerüchte die Runde gemacht, das Werk mit rund 2000 festen Mitarbeitern stehe im Zuge der Airbus-Sanierung zur Disposition. Außerdem bestätigte der Vorstandsvorsitzende des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns, die Werke in Augsburg, Nordenham und Varel im Paket veräußern zu wollen.

Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung schlüsselte EADS-Chef Louis Gallois erstmals auf, wer welches Airbus-Werk kaufen will. Um die drei deutschen Werke bewerben sich neben dem US-Konzern Spirit Aerosystems der Maschinenbauer Voith aus Heidenheim und die Bremer OHB-Tochter MT Aerospace.

Die Entscheidung, den Standort Augsburg nachträglich in die Verkaufsliste aufzunehmen, sei auch vom dortigen Management mitinitiiert worden. "Es hat erkannt, dass es sich aus dem EADS-Konzern lösen muss, wenn Augsburg am geplanten Langstreckenflugzeug A350 mitarbeiten möchte", sagte Gallois.

Die Gewerkschaften seien darüber zwar nicht begeistert, würden die Entscheidung aber mittragen. "Es ist besser für die Beschäftigten, wenn alle drei Werke gemeinsam verkauft werden. Und es hat industriell Sinn." Die drei Werke würden sich ergänzen und insgesamt aufgewertet, da Augsburg ein Designzentrum umfasst.

Auch für die französischen Werke in Saint-Nazaire und Méaulte strebe EADS eine Paketlösung an. Neben Spirit bietet dafür der heimische Zulieferer Latécoère. Für das Werk im britischen Filton ist neben dem dort ansässigen Konzern GKN ebenfalls Spirit ins Rennen gegangen.

"Ziel ist, dass die Werke autonom von EADS leben können", sagte Gallois. EADS wolle durch die Auslagerung Kosten sparen, die durch die Umstellung auf Kohlefaserfertigung entstehen würden. Die Partner sollen diese Entwicklungskosten übernehmen.

Technologischer Rückstand

Deutschland ist bei der Technologie beispielsweise im Vergleich zu Spanien in Verzug. Dieser Rückstand machte die Auslagerung notwendig. Ob und in welcher Höhe EADS an den verkauften Werken beteiligt bleibe, stehe noch nicht fest. Je höher die Einsparungen, desto größer die Beteiligung.

Es habe keinen Sinn, ein großer Aktionär zu bleiben, wenn man die Kosten reduzieren will, fügte Gallois hinzu. Zu nationalen Lösungen wie sie die Bundesregierung für Deutschland anstrebe, werde es nicht automatisch kommen.

Gallois bestätigte, das Werk im baden-württembergischen Laupheim ganz verkaufen zu wollen. Er nannte den Nürnberger Konzern Diehl als Kandidaten. Die Entscheidung, welches Werk an wen gehe, werde EADS für alle Standorte gleichzeitig bekanntgegeben. Eine Frist gebe es nicht.

Der Bieter, der Augsburg, Nordenham und Varel übernehme, werde auf jeden Fall ein großes Unternehmen sein. Es entstehe ein Zulieferer mit fast 6000 Beschäftigten. Der Umstand, dass im Augsburger Werk Bauteile für den Kampfjet Eurofighter hergestellt werden, verzögere den Verkauf nicht.

Bei den Teilen handele sich nicht um sicherheitsrelevante Technologien. Das Werk produziert Rumpfteile aus Kohlefasern, so wie es auch beim A350 der Fall sein soll.

Gallois kündigte zudem an, den Anteilseignern vorschlagen zu wollen, den Rüstungsanteil von EADS aufzuwerten. Die Abhängigkeit des Konzerns von Airbus müsse verringert werden. Langfristig strebe EADS an, jeweils etwa die Hälfte des Umsatzes im zivilen und militärischen Bereich zu machen.

Gallois stelle Zukäufe in den USA in Aussicht. Um ein großer Player in der Verteidigung zu sein, muss man in den USA präsent sein, sagte er. An der Rüstungssparte des französischen Konzerns Safran habe EADS kein Interesse. Safran sei ein guter Zulieferer und solle dies bleiben.

Französische Industriekreise bestätigten der SZ außerdem, dass der EADS-Aufsichtsrat um fünf unabhängige Mitglieder erweitert werde. Ihm werden künftig vier Deutsche, vier Franzosen, ein Spanier, ein Brite und ein Inder angehören. Neu hinzukommen werden unter anderen der Deutsche-Bank-Manager Hermann-Joseph Lamberti, der Aufsichtsratschef des Roboterbauers Kuka, Rolf Bartke, und der britisch-indische Stahlmagnat Lakshmi Mittal.

Michael Rogowski scheidet aus dem Aufsichtsrat aus. Der ehemalige Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), dessen Amtszeit eigentlich bis 2010 läuft, ist zugleich Aufsichtsratschef des Bieters Voith, weshalb sich Interessenkonflikte ergeben.

Auch Airbus-Chef Thomas Enders und Finanzchef Hans Peter Ring werden dem Kontrollgremium nicht mehr angehören. Gallois wird der einzige noch verbliebene EADS-Manager im Aufsichtsrat sein.

Vor der Nominierung von Kandidaten zum Beispiel aus China oder Russland sah man aus sicherheitspolitischen Gründen ab. EADS stellt unter anderem auch Atomraketen für Frankreich her. Der Konzern will die Nominierungen an diesem Freitag bekanntgeben.

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