Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Die Luca-App hilft kaum bei der Eindämmung der Pandemie

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Sie kostete Millionen und sollte der Heilsbringer für die überlasteten Gesundheitsämter sein - doch die nutzen sie gar nicht. Zeit, sich Gedanken über Alternativen zu machen.

Kommentar von Max Muth

Anfang des Jahres galt sie noch als Heilsbringer, heute ist sie an vielen Stellen schon wieder unten durch. Die Luca-App sollte bei hohen Inzidenzen Gesundheitsämter entlasten und Lockdowns vermeidbar machen. Die Bilanz ein halbes Jahr später ist ernüchternd. Vom Spiegel befragte Gesundheitsämter gaben an, in ganzen 60 Fällen habe die App geholfen, Kontaktketten zu unterbrechen. Stattdessen gibt es alle paar Tage neue Nachrichten über Probleme bei der Softwareanbindung, dem Datenschutz oder Sicherheitslücken.

Zu glauben, dass sich eben noch mit Fax und Karteikarten arbeitende Gesundheitsämter inmitten einer Pandemie zu digitalen Musterschülern entwickeln würden, war reichlich naiv. Die Folge: 13 Bundesländer gaben über 20 Millionen Euro für das App-Heilsversprechen aus. Effektiv genutzt wird die Software jedoch nur in den wenigsten Gesundheitsämtern. Von Bundesland zu Bundesland sind die Erfahrungen dabei recht unterschiedlich. In Berlin sind die Ämter genervt, weil sie Kontaktdaten, die mit Luca ankommen, manuell in die Gesundheitsamt-Software Sormas übertragen sollen. Dabei ginge das auch automatisch, doch die Berliner Datenschützer sagen Nein. In Bayern dagegen sind die Datenschützer weniger streng und die Gesundheitsämter zufriedener. Genutzt wird die App dennoch eher stiefmütterlich.

Denn auch ohne strenge Datenschützer verursacht Luca einigen Aufwand. Die App verschickte nach eigenen Angaben in den vergangenen 14 Tagen bundesweit rund 15 000 Warnhinweise auf die Handys der Nutzer, zwei Wochen zuvor waren es demnach noch mehr als doppelt so viele. Doch ganz gleich wie viele Luca-Warnungen, in den seltensten Fällen folgten diesen Warnungen auch Maßnahmen der Ämter. Oft stellt sich heraus, dass die Luca-Daten unbrauchbar sind, weil Betreiber zu große Flächen mit nur einem Check-in ausstatten, eine Infektion also eher unwahrscheinlich ist. Oder die Nutzer wurden nach einem Restaurantbesuch wegen eines technischen Problems nicht wieder ausgecheckt. Im Zweifel wird ein Amt eher keine Quarantäne anordnen, schließlich kommt für mögliche Verdienstausfälle die jeweilige Regierung auf.

Viele Länder beharren auf den Kontaktdaten - wider besseres Wissen

Selbst wenn Luca die zahlreichen Datenschutz- und Sicherheitsprobleme in den Griff bekäme, bliebe also das Fazit, dass die Länder einen Millionenbetrag für eine App ausgeben, die in den Gesundheitsämtern so gut wie nicht genutzt wird. Das ist umso ärgerlicher, wenn man bedenkt, dass die ebenfalls mit staatlichen Millionen finanzierte Corona-Warn-App (CWA) fast die gleichen Funktionen bietet. Auch mit der CWA können Nutzer und Nutzerinnen in Gast- und Kulturstätten einchecken und werden bei positiven Tests anderer Besucher später gewarnt. Der einzige Unterschied: Die CWA spart sich den Umweg über die Gesundheitsämter, warnt andere Nutzer anonym und direkt. Das geht schneller und datensparsamer, entspricht nur leider nicht den Corona-Schutzverordnungen der meisten Länder. Diese beharren bislang auf den Kontaktdaten - wider besseres Wissen.

Doch Corona-Schutzvorschriften lassen sich ändern. Wie, das hat kürzlich Nordrhein-Westfalen vorgemacht. Das Land, das als eines von nur drei Bundesländern nicht zentral auf Luca setzte, strich die Kontakterhebung in der Gastronomie aus der Corona-Schutzverordnung. Restaurantbetreiber, die noch Check-ins anbieten wollen, müssen das mit der anonymen Corona-Warn-App tun, weil es für die Kontaktdatenerfassung keine Rechtsgrundlage mehr gibt. Stattdessen gilt in NRW nun ab einer Inzidenz von 35 die 3G-Regel: Wer nicht geimpft oder genesen ist, braucht einen negativen Test, um etwa drinnen essen zu gehen - Kontaktdaten hin oder her. Anders als die Luca-App ist das eine garantierte Arbeitserleichterung für die Gesundheitsämter.

So langsam dämmert es auch einigen anderen Bundesländern, dass der Anteil, den Luca zur Eindämmung einer Pandemie zu leisten imstande ist, verschwindend gering ist. Modelllandkreise in Thüringen und NRW, die Luca kostenlos nutzen konnten, stellen die Nutzung wieder ein. Auch in Berlin will Berichten zufolge eine Mehrheit der Fraktionen des Abgeordnetenhauses den Vertrag mit den App-Machern im neuen Jahr nicht verlängern. Auch die restlichen Bundesländer sollten sich die Frage stellen, ob die Millionen, die auf das Konto der App-Entwickler fließen, künftig nicht anderswo besser angelegt wären.

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