Süddeutsche Zeitung

Lohn:Wer wie viel Weihnachtsgeld kassiert

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Von Alexander Hagelüken

Es ist ein Moment, den viele Deutsche herbeisehnen. Meist im November überweist die Firma mehr als sonst: Zusätzlich zum Lohn gibt es Weihnachtsgeld. "Das dreizehnte Einkommen hat Tradition", sagt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Die Menschen planen das ein, etwa für Geschenke." Wie viel Weihnachtsgeld die Firma überweist, hängt aber sehr von der Branche ab, meldet nun das Statistikbundesamt. Öl- und Gasbetriebe zahlen im Schnitt 5700 Euro, doppelt so viel wie ein deutscher Durchschnittslohn. Wer sich dagegen als Zeitarbeiter verdingt, erhält nur 300 Euro.

Die Sonderzahlung zum Geschenkekauf gibt es schon lange. Als eine Gewerkschaft sie erstmals 1952 in einem Tarifvertrag verankerte, hieß der Bundeskanzler Konrad Adenauer. In der Ehe hatte gesetzlich der Mann das Sagen. Seit damals hat sich manches verändert. Anderes nicht. Wer Weihnachtsgeld bekommt und wer nicht, erscheint auch 66 Jahre später eher traditionell: Man sollte Mann sein, in einer klassischen Branche arbeiten - und das in Westdeutschland. Wer dagegen Frau ist, in Dienstleistungen und in Ostdeutschland tätig ist, hat schlechtere Chancen: Alles drei reduziert die Aussicht auf extra Geld vor dem Fest.

Diese Unterschiede ermittelte Thorsten Schulten von der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung. Sie lassen sich, sagt er, auf einen Nenner bringen: Folgt die Firma einem Tarifvertrag? Drei Viertel der Beschäftigten, bei denen das so ist, bekommen Weihnachtsgeld. Bei tariflosen Firmen kommt dagegen weniger als jeder Zweite in den Genuss. Und es arbeiten eben viele Männer in klassischen Branchen wie Erdöl, Chemie und Energieversorgung, in denen die Gewerkschaften noch stärker sind. Das Weihnachtsgeld fällt hier laut den amtlichen Statistikern mit mehr als 4000 Euro so hoch aus wie kaum irgendwo sonst.

In der Industrie fließt meist viel. Am Ende der Skala stehen Dienstleistungen wie die Zeitarbeit und das Sicherheitsgewerbe mit wenigen Hundert Euro. Dazu kommt: In Servicebranchen wie dem Handel, wo viele Frauen an der Supermarktkasse sitzen, gelten nur für eine Minderheit Tarifverträge. Entsprechend sinken die Aussichten, Weihnachtsgeld zu bekommen.

"Derzeit haben Arbeitnehmer gute Karten"

Deshalb wirkt es sich für die Arbeitnehmer kurz vor Heiligabend negativ aus, dass heute nur gut jeder zweite unter einen Tarifvertrag fällt. Anfang der Neunzigerjahre waren es noch annähernd 80 Prozent. Seitdem wurde es einigen Firmen zu teuer und sie stiegen aus. Zwar zahlen auch manche dieser Unternehmen einen Weihnachtsbonus, aber sie tun es häufig nur freiwillig. Verschlechtert sich die Konjunktur, stornieren sie die Sonderleistung. In den Nullerjahren geschah das öfters.

Die gute Nachricht für Arbeitnehmer: Solange der aktuelle Boom anhält und Firmen Kräfte suchen, scheint ihr Geschenkebonus sicher zu sein. "Derzeit haben Arbeitnehmer gute Karten", beobachtet Hagen Lesch vom IW-Institut. "Bei guter Konjunktur und Fachkräftemangel streicht wohl kaum eine Firma das Weihnachtsgeld." Die Zahlung im November ist bei den Deutschen so populär, dass dies auch Parteien nutzen wollen. Die Linke forderte 2017 ein Weihnachtsgeld für Kinder.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2018
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