Süddeutsche Zeitung

Krypto-Währung Libra:Geld ist eben kompliziert

Lesezeit: 3 min

Facebook hat mit Libra ein Konzept für eine völlig neue Krypto-Währung angestoßen. Pünktlich zur Gründung springen wichtige Mitstreiter ab. Doch das muss noch nicht heißen, dass das Vorhaben scheitert.

Von Harald Freiberger, München

Es ist wie bei einer Vereinsgründung, zu der ein Teil der Initiatoren nicht erscheint: Die Mitglieder der Krypto-Währung Libra trafen sich am Montag in Genf, um sich auf ihr Statut zu einigen. Das soziale Netzwerk Facebook hatte das neue Währungsprojekt unter großem Aufsehen Anfang des Jahres angestoßen. Schnell fanden sich dafür renommierte Unternehmen als Mitstreiter. Und so geistert Libra nun wie ein Gespenst durch die internationale Finanzwelt - bis hin zu der Vorstellung, dass die Krypto-Währung einmal den Dollar als Leitwährung ablösen und die Macht der Notenbanken brechen könnte.

Pünktlich zur Gründungsmesse sprangen aber nach und nach wichtige Mitglieder ab: Zuerst wollte Anfang Oktober der Zahlungsdienstleister Paypal nicht mehr dabei sein, am vergangenen Freitag folgten die Internet-Handelsplattform Ebay, der Bezahl-Dienstleister Stripe, die Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard.

Welche Chance kann ein solch gewaltiges Projekt haben, wenn es schon so losgeht? "Natürlich ist das Ausscheiden dieser Unternehmen so kurz vor der Gründung gerade für die Außendarstellung nicht glücklich", sagt Volker Brühl, Kryptoexperte an der Frankfurter Goethe Universität. Trotzdem sei es kein Rückschlag für das Vorhaben. Er habe sich ohnehin gefragt, was die Rolle der Ausgeschiedenen im Libra-Konsortium sein sollte. "Kreditkartenanbieter und ähnliche Firmen können kein Interesse daran haben, dass Libra ein Erfolg wird, weil es sie vom Ansatz her überflüssig machen würde". Deshalb sei ihre Mitgliedschaft verwunderlich gewesen und ihr Rückzug nun konsequent.

Immerhin bleiben noch rund zwei Dutzend Mitstreiter dabei. Meldungen, dass es um Facebook in Sachen Libra zunehmend einsam werde, sind deshalb übertrieben. Zu den Partnern, die sich am Montag in Genf trafen, gehören die Fahrdienstvermittler Uber und Lift, das Telekom-Unternehmen Vodafone und der Streaming-Marktführer Spotify.

Libra regt die Fantasie deshalb an, weil es als sogenannte "Stable Coin" konzipiert ist, als eine stabile Währung. Der Kurs soll aus einem Korb von Weltwährungen wie Dollar, Euro, Yen und britischem Pfund gebildet werden und sich daher nicht von der Realität in der weltweiten Ökonomie abkoppeln können. Genau das war das Problem der Krypto-Währung Bitcoin, die vor wenigen Jahren extrem stieg, dann aber wieder abstürzte. Zudem soll jeder ausgegebene Libra mit Einlagen bei Banken und Anleihen sicherer Staaten gedeckt werden.

"Grundsätzlich kann das Konzept von Libra als ,Stable Coin' durchaus gelingen", sagt Experte Brühl. Die entscheidende Frage aber sei, ob die Krypto-Währung die regulatorischen Hürden überspringen wird. Da sie eine globale Währung sein will, müsse sie dies in allen wichtigen Rechtsräumen tun. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire und Regulierungsbehörden haben sich bereits skeptisch geäußert.

"Eine große Gefahr sind Hackerangriffe und der mögliche Verlust von Glaubwürdigkeit"

Ein Problem ist, dass nicht klar ist, welche Funktionen Libra genau übernehmen soll. "Das vorliegende Konzept ist noch sehr oberflächlich", sagt Brühl. Vor allem stehe nicht fest, was die langfristige Vision sei. Als reines Zahlungsverkehrsmittel wäre das Geschäftsmodell beschränkt, damit ließen sich keine hohen Gewinne erzielen. Für Facebook wäre es vor allem interessant, den Zahlungsverkehr für andere Unternehmen abzuwickeln und dadurch die Werbeerlöse oder die Provisionen im Internethandel zu erhöhen. Für die Unternehmen könnte die Krypto-Währung wiederum den Vorteil haben, dass sie sich nicht mehr so sehr gegen die Schwankungen regulärer Währungen absichern müssen. Sie könnten auch leichter Rabatte und andere Vorteile für Kunden in den Bezahlprozess integrieren. Und dann gibt es auch noch die Möglichkeit, dass Libra andere Finanzdienstleistungen ermöglicht, etwa Kredit- und Einlagengeschäfte. Die Krypto-Währung wäre dann direkte Konkurrenz für Banken und Versicherungen. Das würde mehr Gewinn bringen, aber auch die regulatorischen Hürden wären viel höher.

Viele Fragen sind noch zu klären. Die Unsicherheit ist groß. Niemand weiß, ob Libra ein Erfolg wird. Aber das heißt nicht automatisch, dass es kein Erfolg werden kann. Entscheidend werde sein, ob die Bürger Vertrauen in die Krypto-Währung fassen, schreibt die DZ Bank in einer Studie - und ob Libra für Nutzer einen Mehrwert gegenüber traditionellen Währungen biete. Die Marktmacht von Facebook mit 2,7 Milliarden Kunden und der teils global agierenden Unternehmen sei jedenfalls groß.

Auch wenn Libra deutlich stabiler als etwa Bitcoin wäre - risikolos ist die Krypto-Währung nicht. "Eine große Gefahr sind Hackerangriffe und der mögliche Verlust von Glaubwürdigkeit bei den Nutzern", sagt Brühl. Wenn sie das Vertrauen verlieren, könnten sie in reguläre Währungen zurücktauschen wollen. Der Effekt wäre ähnlich wie bei einem Sturm auf die Banken.

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SZ vom 15.10.2019
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