Süddeutsche Zeitung

Kosmetik:Drei Frauen für Coty

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Im Vorstand des Kosmetikkonzerns stellen weibliche Führungskräfte künftig die Mehrheit. Sie sollen für Vielfalt sorgen. Mit Marken wie Kylie Jenner und Kim Kardashian West will die Firma junge Kundinnen gewinnen.

Von Elisabeth Dostert, München

Shampoos, Cremes, Lippenstifte, Lidschatten, Parfum, Nagellack. Insgesamt 500 Milliarden Dollar wurden nach Angaben der Beratungsfirma McKinsey 2019 mit Produkten für Schönheit und Pflege umgesetzt. Große Teile ihrer Erlöse machen die Firmen mit Frauen, weil sie die Produkte für sich kaufen oder für andere. Als Käuferinnen sind sie willkommen. Im Vorstand sind Frauen aber nur selten. Eine Ausnahme ist Debra Perelman, die seit gut zwei Jahren den US-Konzern Revlon führt.

Beim US-Konzern Coty, an dem die deutsche Industriellenfamilie Reimann beteiligt ist, ändert sich das Anfang September schlagartig. Dann ziehen gleich drei Frauen in den Vorstand ein: Sue Nabi, 52, Anna von Bayern, 42, und Kristin Blazewicz, 42. Sie stellen künftig die Mehrheit in dem Gremium, dem bereits Gordon von Bretten als Vorstand für Transformation und Finanzchef Pierre-André Terisse angehören.

Nabi wird, wie Coty bereits Anfang Juli mitteilte, Vorstandschefin. Die offizielle Stellenbeschreibung der Bild-Journalistin, Moderatorin und Buchautorin Anna von Bayer lautet Chief Corporate Affairs Officer, sie soll sich um die interne und externe Kommunikation und die Reputation von Coty kümmern. Blazewicz, die zuvor für andere Beteiligungen der Reimanns gearbeitet hat, wird Chief Legal Officer und General Counsel, also die Chefjuristin im Vorstand. "Man habe nun das perfekte Team zusammen, um den Wandel von Coty zu beschleunigen und das Unternehmen stärker zu machen", sagt Peter Harf, der nach einigen Wechseln im Management von Coty Anfang Juni selbst den Posten des Vorstandschefs übernommen hatte. Eigentlich wollte er so lange bleiben, bis es bei Coty wieder "rund läuft", sagt er Anfang Juni dem Handelsblatt. Bis Coty wieder da sei, wo es einmal war, dauere es mindestens zwei Jahre. Wandel und Stärke hat Coty dringend nötig. Die Geschäfte laufen schlecht. Coty macht große Verlust.

Harf, 74, ist auch Chefstratege der JAB Holding, über die die deutsche Industriellenfamilie Reimann ihre Beteiligungen im Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar steuert, darunter neben Coty, Acorn, Pret Panera und Petcare. Es ist ein breites Portfolio aus Kosmetik, Kaffee, Getränken, Bäckereien und Tierpflege. Bekannter als die Firmen sind die Marken, darunter Senseo, Jacobs, Wella, Sassoon, Covergirl, Max Factor. Die Reimanns halten rund 90 Prozent der JAB Holding, den Rest einige Manager.

"Die Frauen, die wir jetzt berufen, sind für diese Jobs die besten Leute, die es gibt", sagt Harf. Für die Neuen kennt er nur Superlative: "Sue und Anna sind Rockstars." Nabi habe er über eine gemeinsame Freundin kennengelernt. "Eigentlich wollte ich Sue als Beraterin gewinnen. Ein paar Tage später rief sie an und bot an, den Vorstandsposten zu übernehmen", erzählt Harf. Ihm sei erst einmal die Kinnlade runtergefallen. "Was konnte mir Besseres passieren?"

Bislang seien Investor Relations, also die Kontaktpflege zu Investoren, interne sowie externe Kommunikation und Produktwerbung getrennt geführt worden. "Das geht nicht mehr. Man muss heute integriert kommunizieren. Alles kommuniziert heute mit allem. Auch Investoren schauen sich den Auftritt in sozialen Netzwerken", sagt Harf. Für die "integrierte Kommunikation" soll Anna von Bayern sorgen. "Wir wollen mit einem starken Portfolio eine führende Rolle in der Kosmetikindustrie spielen in einer Liga mit Firmen wie Estée Lauder und L'Oréal", sagt Harf. Coty werde verstärkt in Marken investieren. Das Unternehmen werde jetzt von "echten Profis geführt. Coty is back."

Nabi gilt als Superstar der Kosmetikbranche, sie steht für Modernität und Diversität. Sie wurde als Youcef Nabi in Algerien geboren und lebt seit ihrer Zeit in Paris als Frau. 1993 fing sie beim Kosmetikkonzern L'Oréal an, sie war Chefin der Marken L'Oréal Paris und Lancôme. 2014 zog sie sich zurück und gründete in London die vegane, nachhaltige und genderneutrale Hautpflegemarke Orveda. Schon L'Oréal verhalf Nabi mit Diversität zu einem modernen Image. Sie engagierte die Spanierin Penelope Cruz, die Chinesin Gong Li und die US-Amerikanerin Jane Fonda.

Die Geschäfte von Coty laufen seit der Übernahme eines Portfolios von Procter & Gamble mit mehr als 40 Marken, darunter Wella, im Herbst 2016 für 11,6 Milliarden Dollar schlecht. "Die Übernahme war an sich eine gute Idee. Aber wir haben nicht die nötige Kraft aufgebracht, um die sehr schwere Integration zu managen. Wir haben das unterschätzt", sagt Harf. Seit drei Jahren macht der Konzern Verlust. Im Geschäftsjahr 2019 per 30. Juni sank der Umsatz um fast acht Prozent auf 8,6 Milliarden Dollar. Die Corona-Pandemie setze dem Konzern zu, sagt Harf. Bei einem Aktienkurs von gut vier Dollar ist Coty an der Börse nur noch 3,2 Milliarden Dollar wert.

Die Modernisierung des Konzerns hat bereits begonnen. In den vergangenen Monaten ist Coty Beteiligungen an angesagten Marken eingegangen, die junge Menschen ansprechen, die in sozialen Netzwerken wie Instagram unterwegs sind. Anfang des Jahres übernahm der Konzern für 600 Millionen Dollar 51 Prozent an der Kosmetikfirma von Kylie Jenner. Ende Juni vereinbarte er den Erwerb von 20 Prozent an der Beauty-Firma von Kim Kardashian West, Kenners Halbschwester, für 200 Millionen Dollar. "Das können Marken werden, die in drei bis fünf Jahren jeweils eine Milliarde Dollar Umsatz bringen", so Harf.

Schon Anfang Juni verschaffte sich Coty finanziell Luft durch eine Vereinbarung mit dem Finanzinvestor KKR. Die Haarpflegeprodukte mit Marken wie Wella oder Clairol und einer Bewertung von insgesamt 4,3 Milliarden Dollar werden in ein eigenständiges Unternehmen eingebracht, an dem KKR 60 Prozent hält und Coty 40 Prozent. Für seinen Anteil zahlt KKR 2,5 Milliarden Dollar. Eine weitere Milliarde Dollar investiert KKR in wandelbare Vorzugsaktien von Coty.

Mit den Frauen soll zumindest bei Coty nun alles besser werden. In der deutschen Industrie sieht Harf noch "ein massives Problem" und "eine systematische Diskriminierung von Frauen". "Es schaffen es viel zu wenig Frauen auf Führungspositionen. Das ist keine Frage der Fähigkeit. Das müssen wir ändern. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum nicht genau so viele Frauen eine Firma führen wie Männer." Harf zieht sich jetzt wieder zurück in den Verwaltungsrat von Coty, den er führt. Über die jüngsten Personalentscheidungen habe sich kein Mann beklagt, jedenfalls sei ihm nichts zu Ohren gekommen. "Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die weißen Männer über 50 immer der Meinung waren, dass ihnen das Territorium gehört." Es werde wohl einige geben, "die die Faust in der Hosentasche geballt haben, aber das ist mir vollkommen egal."

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SZ vom 10.07.2020
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