Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Sozial unverträglich

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Wer eine zweckentfremde Airbnb-Wohnung bucht, schädigt die Stadtgesellschaft. Denn es gehen nicht nur Steuereinnahmen verloren, sondern auch Wohnraum - der in den beliebten Städten besonders umkämpft ist.

Von Helena Ott

Viele Airbnb-Kunden kennen sie: Wohnungen mit ein paar Alibi-Fotos an der Wand, ein paar vergilbten Büchern, Flohmarktartefakten und billigem Geschirr. Vor der Haustüre hängt eine ominöse Schlüsselbox. Das ist die typische Airbnb-Wohnung, die Eigentürmer auf dem Portal zu häufig lukrativen Preisen Städtereisenden anbieten. Das Problem dabei: Ihre zentral gelegene Eigentumswohnung landet nicht nur zwischendurch auf Airbnb. Oft verschwinden solche Wohnungen dauerhaft vom Wohnungsmarkt. Für die Besitzer der Wohnung und die Plattform aus dem Silicon Valley ist das ein lohnendes Geschäft. Oft verdienen Vermieter mehr, als sich über eine normale Miete einnehmen ließe.

Viele Städte haben schon Regeln, die mal besser, mal schlechter durchgesetzt werden. Aber auch der einzelne Tourist sollte sich zumindest die Frage stellen, ob er dieses System mitfinanzieren will. Sozial verträglich ist das Übernachten in dauerhaft als Ferienwohnung genutzten Airbnbs nicht.

Die Politik kommt bislang nur in kleinen Schritten gegen den US-Konzern voran. An diesem Donnerstag trafen sich Vertreter europäischer Großstädte, um sich über das Problem auszutauschen und ihre Kräfte im Kampf gegen Portale wie Airbnb zu bündeln. Gemeinsam wollen sie die Unternehmen mittels verändertem EU-Recht dazu verpflichten, Einkommens- und Umsatzsteuer einzubehalten und an die Behörden der jeweiligen Städte abzuführen. Das ist eine gute Initiative.

Es gehen aber nicht nur potenziell Steuereinnahmen verloren, sondern auch Wohnraum. 26 Prozent der Wohnungen in Paris seien nicht mehr von Bürgern der Stadt bewohnt, beschwert sich die Pariser Verwaltung. Von den 65 000 Unterkünften, die Airbnb online anbietet, seien fast die Hälfte "illegale Hotels" und würden dauerhaft an Touristen vermittelt.

In Deutschland ist die Lage zwar noch nicht ganz so dramatisch. Forscher des ZEW-Instituts haben aber ermittelt, dass in Berlin Ende 2018 immerhin mehr als 10 000 Wohnungen und Zimmer über Airbnb angeboten wurden. In Hamburg und München seien es rund halb so viele. Die Stadt München befindet sich derzeit in einem Rechtsstreit mit Airbnb. Das Münchner Verwaltungsgericht hatte den Konzern dazu verpflichtet, Daten seiner Nutzer an die Stadt München weiterzugeben, auch wenn der Fall noch nicht letztinstanzlich entschieden ist.

Auch in anderen Städten versuchen die Behörden, dauerhafte Airbnb-Wohnungen aufzuspüren und die Anbieter mit Bußgeld zu bestrafen. Die Beamten könnten leichter ihre Arbeit machen, wenn die Daten automatisch an sie fließen. Bisher müssen die Kontrolleure zu oft wie Privatdetektive agieren, um zweckentfremdete Wohnungen aufzuspüren. Bei der Vielzahl der Inserate ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.

Schon klar, die ursprüngliche Idee von Airbnb ist nett gedacht: Stadtbewohner überlassen ihre Wohnung Touristen, wenn sie selber unterwegs sind. Die Auswärtigen erleben, wie Menschen in Städten wie Barcelona wohnen, dürfen deren Geschirr benutzen, zahlen dafür nicht so viel Geld und sind dafür mittendrin im Leben der Metropolen. Aber aus der netten Idee ist ein riesiges Geschäft geworden, aus dem Zubrot eine mitunter stattliche Einnahme. Vermieter bieten ihre Wohnungen häufig nicht aus einem Sharing-Gedanken heraus, weil sie gerne teilen wollen, auf der Plattform an, sondern wollen mit den sonst leer stehenden Wohnräumen einfach nur Geld machen.

Der Schaden, der dabei entsteht, ist zwar wesentlich abstrakter als der von Billigklamotten oder ständigen Flugreisen. Man beschleunigt durch die Wahl der Unterkunft nicht direkt den Klimawandel und fördert nicht unbedingt schlechte Arbeitsbedingungen. Aber man nimmt der Gemeinschaft etwas weg. Denen, die in Zeiten eines angespannten Wohnungsmarktes dringend nach einer Wohnung suchen. Airbnb-Wohnungen sind neben Landflucht, dem Ausverkauf von Sozialwohnungen und der Spekulation ein weiteres großes Problem in den Städten.

Es ist also Zeit, das soziale Gewissen mit der Frage zu behelligen, ob man dazu beitragen möchte, dass Sanitäter, Alleinerziehende und der Kellner des Lieblingsrestaurants keine bezahlbare Wohnung mehr im S-Bahn-Raum finden. Die gute Nachricht: Man muss ja nicht ganz auf Airbnb verzichten. Es würde schon helfen, Angebote danach zu prüfen, ob der Anbieter einen Zahlencode zum Türöffnen schickt oder schon die Fotos der Räume verdächtig nach normierter Ferienwohnung aussehen.

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Quelle:
SZ vom 18.10.2019
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