Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Letzte Ausfahrt Einigung

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Den EU-Staaten drohen hohe Strafzölle der USA. Europa muss entschlossen reagieren - alles andere deutet Donald Trump als Schwäche.

Von Alexander Hagelüken

In der Politik kommt der Moment, an dem sich nach Monaten des Wartens alles entscheidet. Davor steht Europa in der Handelsfrage. In den nächsten Wochen wird klar, ob US-Präsident Donald Trump wirklich europäische Autos mit prohibitiven Strafzöllen verteuert. Oder ob eine Verständigung gelingt. Es steht viel auf dem Spiel. EU-Hersteller verkauften zuletzt jährlich Autos für 40 Milliarden Euro nach Amerika - ein großer Teil davon Made in Germany, das durch Strafzölle in eine Wirtschaftskrise rutschen könnte. Europa ist aber nicht machtlos, im Gegenteil: Es kann mehr tun, als mancher glaubt, Trump eingeschlossen.

Wie aggressiv der Präsident vorgehen will, lässt sich an seinem Kurs im Fall Airbus erahnen. Die Welthandelsorganisation gesteht den USA Zölle gegen die EU-Staaten zu, die Airbus jahrelang subventionierten. Weil die USA selbst den Hersteller Boeing begünstigten und Europa daher ebenfalls bald Zölle verhängen darf, wäre ein Kompromiss möglich. Doch die USA setzen bisher auf Konfrontation, was nicht nur die Flugzeugbranche trifft.

Die Attacke auf europäische Autos folgt einem bekannten Muster

Autozölle gegen Europa wären die nächste Stufe der Eskalation und für Deutschland dramatisch. Keiner glaubt auch nur eine Sekunde, dass der Export von BMW und Daimler Amerikas nationale Sicherheit gefährdet, wie Trumps Beamte fantasieren. Vielmehr folgt die Attacke auf europäische Autos dem bekannten Muster: Der Präsident hält das Handelsdefizit der USA gegenüber Europa (China, Mexiko, Japan...) für unfair - und will Zugeständnisse erpressen. Was der globalen Konjunktur so schadet, dass sich das Wachstum des Welthandels 2019 mehr als halbieren dürfte.

In dieser Situation muss Europa Einigkeit demonstrieren. Das ist nicht so leicht, weil es sich zuletzt über Euro und Flüchtlinge zerstritt und die Interessen divergieren: Deutschland hat wichtige Autohersteller, andere Länder nicht. Doch natürlich kann sich Europa schon vorab verständigen, gegen Pkw-Zölle zurückzuschlagen. Alles andere würde Trump als Schwäche missdeuten - und noch aggressiver vorgehen.

Wenn Europa eine gemeinsame Haltung verabredet, kann es dem US-Präsidenten einen Deal anbieten. Der sollte den Handel allgemein erleichtern. Der Deal darf aber nicht vorrangig mehr Agrarimporte aus den USA bedeuten, was vor allem agrarischeren EU-Staaten als Deutschland etwas zumutet. Probleme für französische und polnische Bauern, um VW und Co. zu retten - so funktioniert keine europäische Lösung.

Es ist richtig, dass sich Brüssel kooperativ zeigt und Trump kleinere Bonbons schenkt, was Importe von Flüssiggas und Soja betrifft. Dass die Gespräche über einen Handelsdeal trotzdem stocken, ist ein schlechtes Zeichen. Bevor Trump einfach Autozölle verhängt, sollten ihm die EU-Staaten nun erklären, wie viel er dadurch zu verlieren hat. Amerika verkaufte 2018 Produkte für 600 Milliarden Dollar nach Europa - drei Mal so viel wie nach China. Will Trump das wirklich gefährden, ein Jahr vor der geplanten Wiederwahl? Ein Brüsseler Gegenschlag würde Amerikas Wirtschaft sehr wehtun.

Europa sollte aber nicht nur entschlossen auf Trump reagieren, sondern ihn auch durch Handelsverträge mit anderen Ländern weiter isolieren. Mexiko, Südostasien, Australien, China: Es ist vieles möglich. Brüssel verhandelt auch intensiv. Der neue Protest gegen das Abkommen mit Südamerikas Mercosurstaaten zeigt jedoch, dass die EU mehr um die Zustimmung ihrer Bürger werben muss. Sie muss ihnen beispielsweise erklären, warum sich ein Abkommen mit Brasilien besser für die Erhaltung des Regenwalds nutzen lässt als der Ausstieg aus dem Vertrag. Sonst werden die Bürger solche Handelsverträge torpedieren.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2019
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