Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Europas großer Vorteil

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Gegen amerikanische und chinesische Konzerne hat die europäische Wirtschaft keine Chance - heißt es immer. Doch das stimmt so nicht. Luxus- und Konsumgüterkonzerne stehen gut da, im Massengeschäft haben die Europäer einiges zu bieten.

Von Caspar Busse

Die digitale Welt wird von amerikanischen und chinesischen Unternehmen beherrscht: Facebook, Google, Amazon, Microsoft, Apple, Netflix - die meisten von ihnen haben ihren Sitz an der Westküste der USA - dominieren den Markt, haben Zigmillionen Kunden und gehören zu den wertvollsten internationalen Konzernen. Dazu kommen Anbieter wie Alibaba oder Tencent, die das Pendant zu den US-Konzernen für den chinesischen Markt sind, ebenfalls auf sehr viele Nutzer kommen und absolut beherrschend sind. Das größte Kapital sind dabei die Daten. Alle anderen sind gegen die Marktmacht, die diese Unternehmen in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, chancenlos. Verlierer also, die zum Scheitern verdammt sind.

Aber stimmt das überhaupt? Nicht unbedingt. Denn Europas Luxus- und Markenunternehmen sind weltweit führend. Konsumprodukte mit bekannten Namen aus Europa sind nach wie vor gefragt - weltweit. Diese Position ist ein großer Vorteil. Denn Anbieter mit exklusiven Marken können auf lange Sicht durchaus mit den beherrschenden Onlineanbietern wie Amazon oder Alibaba mithalten, sie womöglich irgendwann überflügeln. Doch dazu müssen sie massiv in Technik, Logistik und Distribution investieren und auf neue Marketingaktionen zum Beispiel mit Influencern und Bloggern setzen. Das könnte sich durchaus lohnen, denn die Chance auf Erfolg ist groß.

Die Liste der Unternehmen ist jedenfalls lang: Da ist der große Luxusgüterkonzern LVMH aus Paris, der an der Börse momentan deutlich mehr als 200 Milliarden Euro wert ist und damit weit vor SAP, Siemens oder den deutschen Autoherstellern liegt. Konzernchef Bernard Arnault gelang Ende vergangenen Jahres sogar ein spektakuläres Geschäft: Für mehr als 14 Milliarden Euro kaufte er die New Yorker Juwelierkette Tiffany & Co., einen der beliebtesten und weltweit bekannten Schmuckanbieter der Welt, der zudem gerade recht gute Zahlen für das Weihnachtsgeschäft vorgelegt hat.

Bekannte Marken sind immer wichtiger im Internet, sie bieten Orientierung

Mit dieser größten Übernahme der Unternehmensgeschichte baut LVMH seine Position als weltweite Nummer eins weiter aus. Zum Konzern gehören bereits Marken wie Louis Vuitton (Taschen), Moët & Chandon (Champagner), Hennessy (Cognac), Christian Dior (Mode), Bulgari (Schmuck), Tag Heuer (Uhren), Rimowa (Koffer) oder Fendi (Mode). Der Pariser Konkurrent Kering vereint unter seinem Dach sehr bekannte Modeunternehmen wie Gucci, Bottega Veneta, Brioni, Yves Saint Laurent und ist derzeit angeblich am Kauf der italienischen Daunenjackenfirma Moncler interessiert.

Aber es geht nicht nur um die sehr teuren Luxusgüter. Auch eine Ebene darunter, im Massengeschäft, kommen viele der ganz Großen aus Europa: Das schwedische Textilunternehmen Hennes & Mauritz (H & M), die Einrichtungshäuser von Ikea oder Inditex aus Spanien, das Mutterunternehmen unter anderem von Zara. Alle drei sind weltweit präsent. Das gilt auch für die beiden deutschen Sportartikelanbieter Adidas und Puma aus Herzogenaurach oder für Hugo Boss aus Metzingen. Die amerikanische Modemarke Tommy Hilfiger hat vor einigen Jahren ihre Zentrale nach Amsterdam verlegt, der weltgrößte Braukonzern Anheuser-Bush Inbev hat seinen offiziellen Sitz in Belgien. Und dann sind da auch noch Nestlé - die Schweizer sind mit einer sehr langen Liste von Marken und internationalem Auftritt der größte Nahrungsmittelanbieter der Welt - oder L'Oréal, einer der größten Kosmetikkonzerne.

Europa kann also Marke, ist durchaus gut im Geschäft mit Konsumgütern, die Unternehmen treffen oft den Geschmack und das Gefühl der Konsumenten. Bekannte Marken sind eine wichtige Währung im Internet, auch und gerade für Jüngere. Sie bieten Orientierung und sind der Anker in einer immer unübersichtlicher werdenden Konsumwelt. Mit Markenprodukten können höhere Preise erzielt werden. Nicht zuletzt deshalb kaufen sich chinesische Unternehmen gerne eingeführte Namen. So ging zuletzt etwa die finnische Amer Group, zu der bekannte Sportmarken wie Salomon, Atomic, Wilson oder Peak Performance gehören, an ein Konsortium unter Führung des chinesischen Unternehmens Anta Sports.

Diese starke Position ist ein Schatz für Europas Unternehmen. Marken und Image aufzubauen, dauert schließlich Jahre. Und eigene Online-Angebote, die die Unabhängigkeit von Amazon stärken, können erfolgreich sein, wie das Beispiel Adidas zeigt. Es ist ein Weg für europäische Champions. Der Kampf gegen die großen Internetunternehmen ist nicht verloren.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2020
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