Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Bewährungsprobe

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Die Euro-Gruppe muss beweisen, ob es so einen Kreis überhaupt noch braucht oder ob es reicht, wenn sich gleich alle EU-Finanzminster treffen. Paschal Donohoe, Präsident der Euro-Gruppe, will Brücken bauen. Das ist dringend nötig.

Von Björn Finke

An diesem Montag geht es los: Da beginnt die zweieinhalbjährige Amtszeit von Paschal Donohoe als Präsident der Euro-Gruppe, dem Gremium der Finanzminister aus den Staaten mit der Gemeinschaftswährung. Der irische Christdemokrat setzte sich Ende voriger Woche überraschend bei der Wahl durch; er erhielt die Mehrheit der Stimmen im Kreis der 19 Finanzminister. Als Chef der Gruppe bestimmt der 45-Jährige die Tagesordnung und lotet Kompromisse aus. Wer Verhandlungsgeschick hat, kann hier einiges bewegen. Der Ire versprach nach seinem Sieg, Brücken bauen zu wollen. Das wird auch nötig sein. Noch nötiger ist es allerdings, den Bedeutungsverlust des Gremiums aufzuhalten.

Wie wichtig das Brückenbauen ist, zeigt gerade seine Wahl. Favoritin war die spanische Ministerin Nadia Calviño. Sie hatte die Unterstützung von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien - das Quartett steht für mehr als Dreiviertel der Wirtschaftskraft im Währungsraum. Andere südeuropäische Regierungen wollten ebenfalls für sie votieren und so sicherstellen, dass das Amt nach dem Abgang des Portugiesen Mário Centeno weiter mit jemandem aus ihrer Region besetzt wird. Donohoe siegte dennoch, weil er in der geheimen Wahl offenbar die Stimmen kleinerer Länder im Norden und Osten der Euro-Zone einsammelte.

Das ist eine Klatsche für die deutsche und französische Regierung. Und eine Enttäuschung für die Südeuropäer. Hoch verschuldete Staaten wie Italien und Spanien hatten während der Pandemie zunächst über einen Mangel an Solidarität geklagt. Dieses Murren verstummte erst, als Berlin und Paris und dann auch die EU-Kommission Pläne für ein riesiges Hilfspaket vorlegten. Dass jetzt eine Koalition der Kleinen im Norden und Osten die spanische Favoritin ausbremst, könnte erneut Misstrauen schüren, der Süden werde in Brüssel nicht ernst genug genommen. Donohoe muss das verhindern, indem er tatsächlich versucht, Gräben zu überwinden: zwischen Ländern mit traditionell großer und traditionell eher geringer Haushaltsdisziplin, zwischen seinen Wählern und der Basis von Calviño.

In der Schuldenkrise ging es um die Rettung der Euro-Zone, nun um die Stärkung

Das würde zugleich bei der Herausforderung helfen, die Euro-Gruppe wieder relevanter zu machen. Das Gremium kommt immer am Vortag der monatlichen Treffen aller 27 EU-Finanzminister zusammen. Doch die Frage ist, ob es diesen gesonderten Gesprächskreis noch braucht. Mit Großbritannien hat ein wichtiger Staat ohne Euro die EU verlassen. Von den verbleibenden acht Ländern ohne Gemeinschaftswährung wollen zwei - Kroatien und Bulgarien - die Devise im Jahr 2023 einführen. Das legt den Gedanken nahe, Regelungen für die Euro-Zone einfach bei den normalen Treffen der EU-Finanzminister zu debattieren. Gesetze über Seehäfen werden schließlich auch bei den üblichen Sitzungen der EU-Transportminister diskutiert, obwohl manche Mitgliedstaaten gar keine Küste haben.

Die Frage nach dem Sinn der Gruppe stellt sich umso mehr, als dass die Ergebnisse der vergangenen zweieinhalb Jahre unter Präsident Centeno mau sind - ein Riesenunterschied zur Zeit der Schuldenkrise: Als Griechenland und andere vor dem Bankrott standen, traf das Gremium enorm wichtige Entscheidungen. Die Staaten gaben sich neue Regeln fürs solide Haushalten und schufen Institutionen wie den Euro-Rettungsschirm ESM.

Während der Pandemie spielte die Euro-Gruppe beim ersten EU-Hilfspaket eine Rolle, weil dieses den ESM einspannt. Beim großen Corona-Hilfstopf, über den gerade debattiert wird, mischt das Gremium hingegen nur am Rande mit. Das wäre aber nicht schlimm, würde sich die Gesprächsrunde dafür bei anderen Themen nützlich machen. Denn nach der Rettung der Euro-Zone in der Schuldenkrise geht es nun darum, den Währungsraum zu stärken, etwa dadurch, dass endlich ein einheitlicher Markt für Banken und Börsen etabliert wird. Doch da sind die Fortschritte mager, die Diskussionen unter den Ministern zäh, die Widerstände hart.

Gelingen Donohoe hier anders als Centeno Durchbrüche, hätte die Runde ihren Wert bewiesen. Andernfalls sollte der Ire eine Debatte über die Abwicklung der Euro-Gruppe anstoßen.

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SZ vom 13.07.2020
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