Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Bei uns in:Argentinische Aufs und Abs

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In Argentinien ein Konto zu eröffnen, ist derzeit schwierig. Vom Leben in einer Wirtschaft am Rande des Abgrunds.

Von Christoph Gurk

Im Blick des Bankangestellten stand das blanke Entsetzen. Es war der Montag nach den Vorwahlen in Argentinien, gewonnen hatten überraschend die Peronisten, daraufhin war noch in der Nacht der Peso abgestürzt, die Kurse an der Börse fielen ins Bodenlose, und die Systeme der Banken schmierten ab, weil so viele versuchten, ihr Erspartes in Dollar umzutauschen. Nichts ging darum mehr an jenem Montag, und da standen nun wir und wollten ausgerechnet jetzt ein Konto eröffnen, in Peso, bitte schön.

Knapp zwei Wochen ist das nun her, noch einmal eine Woche davor waren wir von München nach Buenos Aires gezogen. Das erklärten wir dem Bankmitarbeiter, und dass wir nun hier eben allerlei Dinge bräuchten, die den Alltag erleichtern, zum Beispiel eben ein Konto in der Landeswährung. Für den Angestellten machte das die Sache nicht leichter. Wieso waren wir überhaupt hier? "Geht zurück!", sagte er mit erschrockenem Gesicht. "Sofort!"

Wir haben diesen Satz mittlerweile noch öfter gehört. Das Leben in einer Wirtschaft, die am Rande des Abgrunds steht, ist tatsächlich auch nicht immer ganz einfach. Weil wir in Euro verdienen, aber in Peso bezahlen, haben wir jetzt theoretisch zwar mehr Geld. Die Preise in den Supermärkten sind aber ohnehin so gut wie alle angehoben worden, manchmal zahlt man in Dollar umgerechnet sogar mehr als zuvor, weil die Händler noch ein bisschen oben aufgeschlagen haben, zur Sicherheit, die nächste Krise kommt bestimmt.

Andernorts sind Sachen gerade auch einfach gar nicht mehr auf dem Markt. Vor ein paar Tagen wollten wir zum Beispiel ein Auto kaufen, also gingen wir zu einem Gebrauchtwagenhändler. Seine Garage stand voll mit Fahrzeugen, das Angebot war groß, allein Preise gab es nicht. "Kommt in ein paar Tagen wieder", sagte der Verkäufer, "dann kann ich euch sagen, was die Wagen wert sind." Die Situation ist also, gelinde gesagt, etwas chaotisch.

Gestern dann auf einem Spielplatz: Jemand hatte ein Buch vergessen. "Rückschritt und Fortschritt" war der Titel, "Einführung in die Wirtschaft Argentiniens". Die Seiten waren zerfleddert, so wie bei Büchern, die immer wieder gelesen werden. Hoffentlich hat es tatsächlich recht, und auf den Rückschritt folgt ein Fortschritt. Wir würden uns freuen, für die Argentinier und für uns. Schließlich bleiben wir noch ein bisschen hier.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2019
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