Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Tsipras bildet Kabinett um

  • Griechenlands Premier Alexis Tsipras bildet sein Kabinett um.
  • Der ESM-Gouverneursrat hat formal beschlossen, dass die Verhandlungen für ein neues Kreditprogramm beginnen können.
  • Zuvor haben Österreich und Lettland sowie der Deutsche Bundestag für die Kredit-Verhandlungen gestimmt.
  • Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem fordert Schäuble auf, die Debatte über einen Grexit zu beenden.

Von Mike Szymanski

Tsipras bildet Kabinett um

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras versucht, mit einer Regierungsumbildung die innenpolitischen Probleme zu überwinden. Am Freitagabend ersetzte er zahlreiche Kritiker seiner Politik in den eigenen Reihen durch enge Gefolgsleute.

Wie bereits seit Tagen in Athen erwartet worden war, muss Energieminister Panagiotis Lafazanis seinen Platz räumen. Er ist Wortführer der Gegner innerhalb von Syriza und führt die Linke Plattform an, den radikalen Flügel im Linksbündnis. Er hatte sich offen gegen Tsipras gestellt und ihn bis zum Schluss aufgefordert, dass Angebot der Kreditgeber doch noch zurückzuweisen. Auf seinen Posten rückt Panos Skourletis, 53 Jahre alt und bisher Arbeitsminister. Auch er steht zwar nicht hinter den Vereinbarungen mit Brüssel. "Wir sagen ganz klar: Dieser Deal ist nicht unserer", hatte er noch erklärt. In der Sitzung des griechischen Parlaments stimmte er aber dafür.

Eine Schlüsselrolle fällt dem neuen Superminister für Arbeit, Renten und Soziales zu, George Katrougkalos, 52. Der Jurist und Experte für öffentliche Verwaltung, bislang Vize im Innenministerium, wird künftig zentrale Forderungen der Geldgeber umsetzen müssen, die in der Bevölkerung auf großen Widerstand stoßen. Tryfon Alexiadis, Vize-Chef der Syriza nahestehenden Gewerkschaft der Steuereintreiber, soll Vize im Finanzministerium unter Euklid Tsakalotos werden.

Die Abweichler im Parlament hat Tsipras scharf kritisiert. Er warf ihnen unsolidarisches Verhalten vor, sie hätten eine Wunde in die Partei geschlagen. Er rechnet offenbar nicht länger mit ihrer Unterstützung und will zunächst die Arbeit in einer Minderheitsregierung fortsetzen. Da die Opposition der Regierung ihre Unterstützung nur für die Zeit der Verhandlungen mit den Kreditgebern zugesagt hat, steigt die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen im Herbst.

Formaler Beschluss für Verhandlungen

Der Gouverneursrat des Euro-Rettungsfonds ESM hat formal beschlossen, dass die Institutionen, also die Gläubiger, und die Regierung Tsipras nun Verhandlungen für ein drittes griechisches Kreditprogramm aufnehmen können. Welche Bedingungen Griechenland erfüllen muss und wie viel Kredite das Land erhält, ist bereits in Grundzügen geklärt. Nun folgen Details und in den kommenden Monaten die Umsetzung des Programms.

Der Gouverneursrat besteht aus den Euro-Finanzministern und aus einem Direktorium, in des jedes Mitgliedsland einen Vertreter entsendet.

Lettland und Österreich für Verhandlungen

Die Regierung Lettlands hat ihre Zustimmung zu Verhandlungen über ein neues Hilfspaket für Griechenland gegeben. Die Mitte-Rechts-Koalition unter Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma erteilte Finanzminister Janis Reirs ein entsprechendes Mandat. "Diese Entscheidung war nicht schwer, aber die schwierige Entscheidung wird am Ende der Verhandlungen kommen", sagte Straujuma. Zuvor hatten bereits die beiden anderen baltische Staaten neuen Verhandlungen der Geldgeber mit Athen über Milliardenkredite zugestimmt.

Auch Österreichs Parlament stimmte der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland zu. Der Nationalrat in Wien erteilte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) mit den Stimmen der rot-schwarzen Regierungskoalition ein entsprechendes Mandat. Die Oppositionsparteien - die Grünen, die rechte FPÖ und die liberalen Neos - stimmten dagegen.

Zustimmung im Bundestag

Der Bundestag stimmte ebenfalls für neue Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm für Griechenland (hier die Debatte zum Nachlesen). Die Abgeordneten erteilten der Bundesregierung ein Mandat, dass diese ein drittes Rettungspaket im Rahmen des Euro-Rettungsfonds ESM für Athen aushandeln kann.

Bis ein solches Kreditprogramm komplett verhandelt ist, dürfte es allerdings einige Wochen dauern. Griechenland braucht jedoch in der Zwischenzeit dringend Geld. So muss die griechische Regierung am 20. Juli etwa 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Tut Athen das nicht, müsste die EZB ihre Notkredite widerrufen, Griechenlands Banken wären sofort pleite. Bis zu einem ESM-Kreditprogramm ist deshalb eine Brückenfinanzierung notwendig. Dieses Geld soll aus dem Rettungsfonds EFSM kommen. Der Fonds ist ein Vorläufer des ESM, der eigentlich 2010 geschlossen wurde. Etwa 13 Milliarden Euro wurden damals nicht abgerufen. Diese Gelder soll Athen nun als Überbrückungskredit bekommen.

Dijsselbloem fordert Ende der Grexit-Debatte

Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hat ein Ende der Grexit-Debatte gefordert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte eine Auszeit Griechenlands vom Euro erneut ins Spiel gebracht. Dijsselbloem sagte, wenn man nach so langen und harten Verhandlungen in der Euro-Zone eine Einigung erreiche, müsse sie von allen mitgetragen werden. Er halte es für nicht besonders klug, wenn Politiker sich nach einer Einigung davon wieder distanzierten.

Die Vereinbarung mit Griechenland auf Verhandlungen über ein Hilfspaket sei nötig und glaubwürdig und werde Griechenlands Wirtschaft wieder in die Spur bringen. Schäuble hatte am Donnerstag erneut deutlich gemacht, dass er einen zeitweisen Abschied Griechenlands vom Euro für die bessere Lösung gehalten hätte. Er begründete dies damit, dass das Land einen Schuldenerlass benötige, der innerhalb der Euro-Zone aber nicht möglich sei.

Griechische Banken öffnen wieder - ein bisschen

Die griechischen Banken sollen am Montag nach drei Wochen erstmals wieder öffnen. Bankkunden könnten aber weiter nur 60 Euro pro Tag von ihren Konten abheben, sagte der stellvertretende Finanzminister Dimitris Mardas dem Fernsehsender ERT.

Die Banken waren am 29. Juni von der Regierung geschlossen und die täglichen Abhebungen begrenzt worden, um einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern. In den Wochen zuvor hatten besorgte Bankkunden immer mehr Geld abgehoben. Den Banken drohte das Geld auszugehen. Um die Banken liquide zu halten, gewährte die EZB den griechischen Instituten sogenannte ELA-Nothilfen von inzwischen 90 Milliarden Euro.

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