Süddeutsche Zeitung

Juncker zu Griechenland:"Die Kuh muss vom Eis"

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"Wir versuchen, sie heute wieder anzuschieben"

Alexis Tsipras bleibt nicht mehr viel Zeit. Und die Geldgeber lassen den griechischen Premier das spüren. "Die Menschen werden langsam ungeduldig", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Donnerstag am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels in Brüssel vor einem Treffen mit Tsipras.

Und zu den Ungeduldigen gehört auch Juncker: "Die Kuh muss vom Eis, aber sie rutscht dauernd aus", sagte er. "Wir versuchen, sie heute wieder anzuschieben."

Griechenlands Regierungschef hatte am Mittwochabend bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten François Hollande gesprochen. Merkel zeigte sich danach relativ zufrieden. Die Unterredung habe "absolute Einigkeit" gebracht, dass Athen die Gespräche mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Hochdruck fortsetzen müsse. "Ich hoffe, dass dies auch den notwendigen Fortschritt bringt. Es zählt jetzt jeder Tag", sagte die Kanzlerin weiter.

Weidmann warnt vor Staatspleite

Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnt vor einer immer näher rückenden Griechenland-Pleite: "Die Zeit läuft ab, das Bankrott-Risiko steigt jeden Tag", sagte Weidmann laut Redetext am Donnerstag vor Investoren in London. Die Euro-Zone sei für den Fall zwar besser gerüstet als früher, allerdings dürften die Ansteckungsrisiken für andere Länder "nicht unterschätzt werden". Die größten Verlierer bei einer Pleite wären "Griechenland und die griechische Bevölkerung", sagte Weidmann weiter.

Tsipras hatte am Mittwochabend überraschend ein Zugeständnis beim Wachstumsziel gemacht. Im Gespräch mit Kommissionspräsident Juncker hatte er sich bereiterklärt, die von den Gläubigern aufgestellte Forderung von einem Prozent beim Primärüberschuss für 2015 (Überschuss vor Abzug des Schuldendienstes) zu akzeptieren. Griechenland hatte zuvor 0,75 Prozent geboten.

Wie aus griechischen Regierungskreisen in Brüssel verlautete, erwägt Athen, die Verlängerung des europäischen Hilfsprogramms zu beantragen, und zwar bis März 2016.

Griechisches Gericht gibt Rentnern recht

Auch ein Gerichtsurteil setzt die Regierung in Athen unter Druck: Das höchste griechische Gericht hat den pleitebedrohten Staat verpflichtet, Rentenkürzungen zurückzunehmen. Ein entsprechendes Gesetz von 2012 sei verfassungswidrig, urteilte der Staatsrat. Die Renten müssen zwar nicht rückwirkend angehoben werden. Gleichwohl wird der öffentliche Haushalt durch die Rücknahme der Kürzungen künftig Schätzungen zufolge um 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich belastet.

Unter dem Druck der internationalen Geldgeber hatte die Regierung in Athen in den vergangenen fünf Jahren immer wieder hastig Kürzungen beschlossen. In der Entscheidung vom November 2012 waren Grund- und Zusatzrenten um fünf bis zehn Prozent gesenkt worden. Mehrere Rentner und Pensionärsverbände hatten dagegen geklagt und bekamen nun recht.

Ramschniveau "CCC"

Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat die Kreditwürdigkeit Griechenlands weiter herabgestuft. Die Agentur senkte die Bonitätseinstufung Athens um eine Stufe auf das Ramschniveau "CCC". Diese Stufe kennzeichnet ein Land kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.

Die Ratingagentur verwies dabei darauf, dass Griechenland anstehende Rückzahlungen von Krediten an den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf das Ende des Monats verschoben hat. Die Verzögerung scheine darauf hinzudeuten, "dass die griechische Regierung Renten und anderen nationalen Ausgaben Priorität gegenüber seinen planmäßigen Schuldenrückzahlungsverpflichtungen gibt".

Ohne eine Wende, mit der die griechische Wirtschaft wieder zu Wachstum komme, und ohne eine tiefgreifende Reform des öffentlichen Dienstes, sei die griechische Schuldenlast "nicht tragbar", erklärte Standard & Poor's. Wenn es Griechenland nicht gelinge, sich mit seinen internationalen Gläubigern auf die Auszahlung von verbleibenden Hilfsgeldern zu einigen, werde die griechische Regierung "wahrscheinlich binnen der kommenden zwölf Monate" auch ihre Marktkredite nicht zurückzahlen können.

S&P schloss ein Szenario nicht aus, in dem Athen Kapitalverkehrskontrollen einführen müsse, um einen massiven Abzug von Bankeinlagen aus dem Land zu verhindern. Die Regierung könne sich dann auch gezwungen sehen, eine Parallelwährung zum Euro einzuführen, um seine Rechnungen im Inland zu begleichen.

Und selbst wenn es zu einer Einigung mit den internationalen Gläubigern in den kommenden beiden Wochen komme, "erwarten wir nicht, dass eine solche Vereinbarung die Erfordernisse im Schuldendienst über den September hinaus decken würde", hieß es.

Ende Juni läuft Hilfsprogramm aus

Das Hilfsprogramm für Griechenland läuft Ende Juni aus. Allein bis Monatsende muss Athen Schulden von insgesamt 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen. Sollte das Land die letzten 7,2 Milliarden Euro an Rettungsgeldern nicht erhalten, droht ein Staatsbankrott und im äußersten Fall das Ausscheiden aus dem Euro. Die Verhandlungen zwischen der Linksregierung in Athen und den internationalen Geldgebern stecken in einer Sackgasse, weil sich beide Seiten nicht über die Reformen einig sind, die das Land im Gegenzug für die Freigabe der letzten Tranche von Hilfsgeldern umsetzen soll.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Mittwoch den Rahmen der Notfallhilfen für die griechischen Banken erneut um 2,3 Milliarden Euro erhöht.

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