Süddeutsche Zeitung

IW-Studie:Flüchtlingen droht Armut

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Entscheidend ist die Integration in den Arbeitsmarkt. Ansonsten steigt die Armutsquote.

Von Alexander Hagelüken, München

Der Zustrom Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland ist derzeit die größte Herausforderung auf dem Arbeitsmarkt. Nun haben Forscher ermittelt: Misslingt es, den Flüchtlingen Jobs zu verschaffen, wird die Armutsquote in der Bundesrepublik deutlich ansteigen. Gelingt dagegen die Integration, werden trotz der großen Zahl von Flüchtlingen kaum mehr Menschen in Deutschland arm sein als bisher.

Als armutsgefährdet gilt nach offizieller Definition, wer höchstens 60 Prozent des mittleren Einkommens erreicht. 2014 waren das für einen Single gut 900 Euro im Monat. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat nun berechnet, wie sich die Armutsquote durch die Massenzuwanderung verändern könnte. Sollten dieses Jahr, wie lange offiziell geschätzt, 800 000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen und alle von Transferleistungen leben, steigt die Armutsquote 2015/16 von bisher 15,4 auf 16,1 Prozent der Bevölkerung. Geht man von 1,6 Millionen Flüchtlingen aus, steigt die Quote sogar auf 16,9 Prozent, zeigen die Berechnungen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Das wäre ein Anstieg um fast 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2007, als die Armutsquote noch bei 14,3 Prozent lag.

Ein deutlich positiveres Bild ergibt sich dagegen, wenn es gelingt, vielen Flüchtlingen zu Arbeit zu verhelfen. Findet jeder Zweite von ihnen einen Job, sodass er auf ein Einkommen von mehr als 900 Euro monatlich kommt, steigt die Armutsquote nur geringfügig auf 15,6 Prozent. Das wäre kaum mehr als jetzt. Dabei ist unterstellt, dass 800 000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Bei einer doppelt so hohen Anzahl würde die Armutsquote auf 15,9 Prozent steigen.

Daran wird deutlich, wie zentral es ist, ob die Flüchtlinge rasch in großer Zahl eine Beschäftigung finden. Ein Hindernis ist dabei, dass ein hoher Anteil nach ersten Abschätzungen keine oder eingeschränkte formale Berufsqualifikationen nach deutschen Standards besitzt. Die Frage ist, inwiefern es gelingt, möglichst viele der meist jungen Männer zu qualifizieren. Ein anderes Hindernis stellen die Beschränkungen der Beschäftigung für Flüchtlinge dar. Bevor Flüchtlinge in Deutschland arbeiten dürfen, müssen sie in der Regel ein Asylverfahren durchlaufen und eine Aufenthaltsberechtigung bekommen, merkt das IW-Institut an. Ausnahmen sind nach drei Monaten nur möglich, wenn nicht theoretisch ein anderer Bewerber zur Verfügung steht.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2015
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