Süddeutsche Zeitung

Internetfreiheit in den USA:Netzneutralität - der Kampf hat gerade erst begonnen

Lesezeit: 2 min

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Manchmal macht ein bitterer Wutausbruch den Triumph noch ein bisschen süßer. "Einige Leute nennen das hier einen Geheimplan, um das Internet zu regulieren. Das ist Blödsinn!", empörte sich Tom Wheeler während der FCC-Sitzung sichtlich aufgebracht. "Das Internet ist einfach zu wichtig, um die Breitband-Anbieter als einzige die Regeln machen zu lassen."

Nur wenige Minuten später ließ die Aufsichtsbehörde den Worten ihres Vorsitzenden Wheeler Taten folgen: Mit einer Mehrheit von drei zu zwei Stimmen verabschiedete die Federal Communications Commission die bislang stärksten Regeln zur Netzneutralität in den USA.

Breitband und mobiles Internet werden damit künftig wie Telefonleitungen als Teil der öffentlichen Versorgung klassifiziert; Bevorzugung, Blockade oder Drosselung legaler Datenpaketen sind dadurch verboten ( Details in diesem Text). Netz-Aktivisten, Verbrauchergruppen und Vertreter vieler Internet-Firmen feierten die Entscheidung. "Das ist ein großer Sieg nach Jahren heftiger Debatte und massiven Gegenwinds durch die größten Internet-Anbieter", jubelte beispielsweise Ellen Bloom von der Verbraucherschutz-Organisation Consumers Union.

Welchen Text die FCC beschlossen hat, ist allerdings jenseits einer zusammenfassenden Presseerklärung noch nicht bekannt. Bis zuletzt wurde offenbar an einzelnen Formulierungen gearbeitet, einem Politico-Bericht zufolge erwirkten Google und einige Interessengruppen Änderungen von Details.

Ist es sonst die progressive Seite, die Intransparenz und Lobby-Aktivitäten kritisiert, kam dieses Mal Gegenwind aus den Reihen der Konservativen. Ein kurzfristiger Vorstoß der beiden republikanischen FCC-Mitglieder, den Entwurf zu veröffentlichen und die Abstimmung zu verschieben, scheiterte jedoch. "Es tut mir für unsere Mitarbeiter leid, die dazu gezwungen wurden, ein halbfertiges, unlogisches, inkonsistentes und unvertretbares Dokument vorzubereiten", erklärte der konservative FCC-Kommissar Mike O'Rielly nach dem Votum.

Der Beschluss, der 30 Tage nach der Eintragung ins Bundesregister in Kraft tritt, entscheidet die Frage der Netzneutralität allerdings noch nicht endgültig. Breitband-Anbieter haben wenig verklausuliert bereits Klagen angedroht. Der Provider Verizon kritisierte in einer Pressemitteilung den Schritt als "völlig unnötig" und veröffentlichte diese auch in Morseschrift, eine Anspielung auf die vermeintliche Rückwärtsgewandtheit der FCC.

Mit der neuen Regulierung geht den Netzbetreibern (in der Regel handelt es sich bei ihnen um große Kabel-TV-Monopolisten) die Möglichkeit verloren, von Kunden oder Anbietern datenintensiver Dienste (Streaming, Telemedizin) Zusatzgebühren zu verlangen. Das genau begrüßen Verbraucherschützer, die Breitband-Anbieter sehen damit jedoch den Netzausbau und ihre Profite in Gefahr.

Mit den traditionell unternehmensfreundlichen Republikanern haben sie Unterstützung, diese Ansicht auch in Washington durchzusetzen: Es gibt Überlegungen, der FCC per Gesetz die Reklassifizierung des Internets als Versorgungsdienst zu verbieten. John Boehner, oberster Konservativer im Repräsentantenhaus, verglich die Entscheidung mit Obamas Gesundheitsreform, dem Hassobjekt seiner Partei. "Wir Republikaner werden unsere Anstrengungen gegen diesen fehlgeleiteten Plan fortsetzen", versprach er.

Die Mehrheit für ein Gesetz hätten die Republikaner theoretisch, allerdings könnten die Demokraten den Prozess blockieren. Und US-Präsident Obama, der sich deutlich zur Netzneutralität bekannt hatte, dürfte im Zweifelsfall ohnehin sein Veto einlegen.

Allerdings endet die Amtszeit des Präsidenten Anfang 2017. Dann wird ein neuer Mieter ins Weiße Haus einziehen und auch das Recht haben, die FCC nach seiner politischen Ausrichtung umzubesetzen oder gemeinsam mit dem Kongress die Spielregeln erneut zu ändern. Das Thema Netzneutralität dürfte deshalb auch im anstehenden Wahlkampf eine Rolle spielen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2370027
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.