Süddeutsche Zeitung

Info-Post der Banken:Wer versteht schon Banken-Sprech

Lesezeit: 3 min

Von Harald Freiberger

Maria K. ist nicht gut zu sprechen auf ihre Bank. Vor wenigen Tagen bekam sie einen Brief. "Anpassungen unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Banken) zum 21. März 2016", stand darüber. Es folgten Sätze wie dieser: "In Nr. 13 Abs. 2 Satz 5 wird der derzeit für Verbraucherdarlehen bestehende Anspruch der Bank auf Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten für Verträge ab dem 21. März 2016 auf Allgemein-Verbraucherdarlehen beschränkt." So geht das über zwei lange Absätze, und am Ende heißt es: "Wie mit Ihnen in Nr. 1 Abs. 23 AGB-Banken vereinbart, gilt Ihre Zustimmung zu den Änderungen als erteilt, wenn Sie uns Ihre Ablehnung nicht vor dem 21. März 2016 anzeigen. Sie können den mit uns bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem 21. März auch fristlos und kostenfrei kündigen."

Der Brief stammt von einer kleinen Raiffeisenbank in Oberbayern. Schreiben mit ähnlichen und identischen Formulierungen erhalten in diesen Tagen Millionen Bankkunden im gesamten Bundesgebiet. Denn die Kreditinstitute müssen über Neuerungen informieren, die sich zum einen aus dem "Zahlungskontengesetz" ergeben und zum anderen aus der "EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie". Die Art, wie sie dies tun, sagt viel über das Verhältnis zwischen Bank und Kunde im Jahr 2016 aus.

Verständlichkeit scheint dem Institut egal zu sein

"Ich habe überhaupt nichts verstanden", sagt Maria K. "Ich weiß nicht, ob mich die im Schreiben erwähnten Neuerungen überhaupt betreffen. Ich weiß nicht, ob sie gut sind für mich oder schlecht." Sie habe den Eindruck, dass sich die Bank mit dem Schreiben ihr gegenüber nur juristisch absichern wolle. Ob sie auch verstehe, was in dem Schreiben stehe, scheine dem Institut völlig egal zu sein. "Unter einer vertrauensvollen Beziehung verstehe ich etwas anderes", sagt sie.

Bei den Verbraucherzentralen der Republik kennt man die Schreiben schon. Zahlreiche Bankkunden sind in den vergangenen Tagen damit zu ihnen gekommen, um sich von den Beratern aufklären zu lassen. Auch diese Menschen fragen sich: Was bedeuten die Änderungen für mich? Bin ich überhaupt betroffen? Ist es gut für mich oder schlecht?

"Ein Aspekt des Schreibens betrifft neue Anforderungen an die Bonitätsprüfung bei Immobilienkrediten", sagt Susanne Götz, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. Es gehe darum, welche Nachweise die Bank vom Kreditnehmer fordern kann. "Das sieht bombastisch aus, ist aber im Grunde harmlos", sagt Götz. Eine Formalität, Verbraucher müssen sich darüber kaum den Kopf zerbrechen. Viele machen das aber, vor allem, wenn sie am Ende die Passage lesen, sie könnten "den Zahlungsdiensterahmenvertrag auch fristlos und kostenfrei kündigen".

"Zahlungsdiensterahmenvertrag", oder auch: Girokonto

Kaum ein Bankkunde weiß, dass es sich beim "Zahlungsdiensterahmenvertrag" um das Girokonto handelt. "Es sind deswegen schon einige Verbraucher auf die Idee gekommen, den Kredit zu kündigen", sagt Wolfgang Urban von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Doch es gehe um die Kündigung des Girokontos, einzelne Kreditverträge ließen sich nicht kündigen. Auch Kollegin Götz hat das beobachtet: "Der Kunde hat damit die Möglichkeit zu widersprechen." Viele verstünden das falsch und meinten, dass sie damit schnell aus dem Vertrag herauskommen. "Das wäre deshalb ein Vorteil, weil die Zinsen derzeit deutlich niedriger sind als in alten Kreditverträgen", sagt sie. "Diesen Zahn müssen wir den Verbrauchern leider ziehen."

Einen großen Teil der Empfänger lassen die Briefe der Banken ratlos zurück, ein kleinerer Teil versteht Passagen komplett falsch - woran liegt das? Anikar Haseloff ist Experte in solchen Fragen, er leitet in Ulm das "H&H Communication Lab", das sich im Untertitel "Institut für Verständlichkeit" nennt. Es berät Unternehmen. Haseloff hat sich zwei Schreiben von Banken zu den AGB angesehen. Er sagt: "Sie machen so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann."

Die Raiffeisenbank von Maria K. etwa beginnt mit einem Satz, der aus 39 Wörtern besteht. "Stattdessen wäre eine Einleitung sinnvoll, die dem Kunden erst einmal erklärt, warum ihm die Bank schreibt", sagt der Kommunikationsexperte. Aus dem Brief gehe nicht hervor, ob die Änderungen für den Kunden positiv oder negativ sind. Das müsse er sich selbst erschließen, dazu sei ein Laie nicht in der Lage. Es fehlten Erklärungen im Sinne von: "Diese Änderungen bedeuten für Sie. . . "

Viele Substantive und negative Wörter

Zur Unverständlichkeit trägt auch die Sprache selbst bei: Der Text ist durchgehend im Nominalstil verfasst, ein Substantiv reiht sich an der andere. "Das ist abstrakt, bürokratisch, altbacken und distanziert", sagt Haseloff, an manchen Stellen gehe die Tonalität schon über Distanziertheit hinaus und wirke regelrecht ruppig, auch wegen vieler negativer Wörter wie "Kündigung", "unrichtig", "fristlos" und "Ablehnung".

Der andere Brief wird von mehreren Direktbanken verschickt, die offenbar denselben Dienstleister haben. In ihm finden sich viele Wortungetüme wie die "EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie" oder das "Verbraucherstreitbeilegungsgesetz", dazu Passivkonstruktionen, die das Verständnis erschweren, und ein "völlig verschwurbelter, von oben herab formulierter und schon vorsätzlich unverständlicher letzter Satz", kritisiert Haseloff. Der Satz lautet: "Wie in Nummer 1 Absatz 2 unserer AGB-Banken mit Ihnen vereinbart, gilt Ihre Zustimmung zu vorstehend unter 1. und 2. dargestellten Änderungen als erteilt, wenn Sie uns Ihre Ablehnung nicht vor dem 21. März 2016 anzeigen." Schon allein beim Wort "anzeigen" drehe sich ihm der Magen um, sagt Haseloff.

Verbraucherschützer Urban hat beobachtet, dass Banken sehr oft daran scheitern, ihre Informationen verständlich zu formulieren - und gleichzeitig sicherzustellen, dass diese juristisch wasserdicht sind und auch der Prüfung eines Richters standhalten.

Im Zweifelsfall, vermutet er, entschieden sie sich wohl für die Wasserdichtheit.

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SZ vom 02.02.2016
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