Süddeutsche Zeitung

In Indien:Wohlparfümiert im Bett

Was tun, wenn das Hotelzimmer müffelt, der Boden schmierig ist und die Bettwäsche undefinierbare Flecken aufweist? Man beschwert sich am Hotelempfang. Die Reaktion des Personals kann durchaus überraschend sein.

Von Lea Hampel

Das erste Zimmer war eines ohne Fenster. Vier Wände, ein Bad, zwei Neonröhren, ein Lüftungsschlitz. Eine Art besonders komfortable Gefängniszelle, und das für fünf Tage Delhi. Also neuer Versuch: So lang mit dem Gepäck in der Lobby warten und nicht weggehen, bis Ersatz geboten wird. Diese Strategie hat sich bei anderen Urlauben bereits als besonders zielführend herausgestellt. Und tatsächlich: Ein neues Zimmer wird in Aussicht gestellt, eine Stunde und drei Willkommensgetränke später. Diesmal: Viele Fenster, juchhe, sogar zwei Lüftungsschlitze. Dafür aber: Schlieren auf dem Fußboden und dem Badezimmerspiegel, Staub in und auf dem Schrank, Flecken von undefinierbarem Dunkelgelb auf der Bettwäsche. Also erneut: Ab in die Lobby, nicht weggehen, freundlich nicken und sitzen bleiben, bis sichtbar an der Problemlösung gearbeitet wird. Schließlich nähert sich ein Mensch mit Plastikeimer, Putzlappen, Flaschen mit Putzmitteln. "Folgen Sie mir bitte." Brav wird zurückgetrottet in Richtung Zimmer, vor dem schon ein zweiter Mensch mit Putzausrüstung wartet. Beide heben die Hände, in jeweils einer Hand wird ein Spray mit für den Gast unlesbarer Aufschrift hochgestreckt, als wäre es mindestens das olympische Feuer. In an Eurythmie-Übungen erinnernden Bewegungen kreisen die beiden Putzkräfte umeinander rund fünf Minuten durchs Zimmer, es macht "pfffft" und kleine Tropfen senken sich auf Tisch, Bettwäsche und Beistelltisch. "Ready, ma'am", rufen sie froh, strahlen, nicken und verlassen den Raum. Was bleibt, ist der Geruch von Sauberkeit. Tatsächlich aber ist es Apfel-Raumspray. Und weiterhin: Flecken, Streifen, Staub. Wenigstens riecht der jetzt ganz gut.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2017
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