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Immobilien:Gleiches Geld, kleinere Wohnung

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Vor zehn Jahren gab es in den größten deutschen Städten für 1000 Euro Kaltmiete viel mehr Wohnraum als heute. Deshalb ziehen viele erst gar nicht aus. Doch wer nun auf einen Corona-Effekt hofft, dürfte enttäuscht werden.

Von Thomas Öchsner, München

Wer 2009 monatlich 1000 Euro für die Kaltmiete zur Verfügung hatte, konnte dafür selbst in den Großstädten Deutschlands noch geräumige Wohnungen bekommen. In Berlin gab es im Mittel 120 Quadratmeter, im teuren München immer noch 86 Quadratmeter. Zehn Jahre später erhält man fürs gleiche Geld deutlich weniger. In München werden für 1000 Euro nur noch 55 Quadratmeter angeboten, in der Bundeshauptstadt nur noch 74 Quadratmeter - ein Rückgang von 38 Prozent. Das geht aus einer Analyse des Immobilienportals Immowelt hervor.

Für die Untersuchung wurden angebotene Mietwohnungen mit Nettokaltmieten zwischen 900 und 1100 Euro in den 14 deutschen Städten mit mehr als einer halben Million Einwohnern untersucht. In Berlin schrumpfte die Wohnfläche, die Mieter fürs gleiche Budget erhalten, seit 2009 am stärksten. In anderen Großstädten verringerten sich die angebotenen Wohnflächen für die 1000 Euro ebenfalls deutlich, auch in ostdeutschen Metropolen. In Dresden und Leipzig war der Rückgang mit 46 beziehungsweise 42 Quadratmetern ähnlich stark wie in Berlin. In Nürnberg waren es laut Immowelt 36 Quadratmeter - das entspricht in etwa der Fläche von ein bis zwei Zimmern. Am geringsten fiel der Schwund mit 21 Quadratmetern in Hamburg und Köln aus.

Ältere Paare, deren Kinder bereits ausgezogen sind, bleiben lieber in ihrer großen Wohnung

Nun entsprachen 1000 Euro wegen der jährlichen Teuerung beziehungsweise Inflation 2009 noch einer höheren Kaufkraft. Dass es für rund 1000 Euro nur noch deutlich kleinere Wohnungen zu mieten gibt, hängt aber nur unwesentlich mit der Inflation zusammen. Grund sind vor allem die Mieten, die in den Großstädten im vergangenen Jahrzehnt schnell gestiegen sind. Das verstärkt auch den sogenannten Lock-in-Effekt: "Selbst Umzugswillige bleiben in ihren großen Mietwohnungen, da ein Wechsel in eine kleinere Immobilie nicht mit einer Kostenersparnis verbunden wäre", teilt das Immobilienportal mit.

Oftmals müssten Mieter beim Umzug sogar mehr Geld für eine kleinere Wohnung ausgeben. Dies trägt dazu bei, dass die Mobilität sinkt: Ältere Paare, deren Kinder bereits ausgezogen sind, und verwitwete alte Menschen bleiben in ihren großen, günstigen Wohnungen. "Es mangelt an Anreizen für einen Umzug, wodurch sich der Markt für junge Familien weiter anspannt", heißt es bei Immowelt.

Viele Wohnungssuchende fragen sich jedoch, ob die Corona-Krise womöglich zu sinkenden Mieten führt. Bislang sieht es danach allerdings nicht aus. Die Angebotsmieten in den 14 größten Städten Deutschlands sind relativ stabil: In sechs der 14 größten Städte blieb der Quadratmeterpreis im März bei Neuvermietungen unverändert im Vergleich zum Januar, also vor Beginn der Pandemie. Lediglich in München (minus vier Prozent) und Köln (minus drei Prozent)

sanken die Preise leicht. Das Berliner Empirica-Institut rechnet für die kommenden Monate damit, dass die Neumieten nachgeben könnten, aber nur für kurze Zeit, um danach wie im vergangenen Jahr und vor Corona weiter zu stagnieren. "Das Ausmaß des Mietrückgangs hängt ab vom Anstieg der Arbeitslosigkeit und von der Dauer des Liquiditätsentzugs bei Selbständigen. Hinzu kommen kurzfristig Mietausfälle wegen Zahlungsunfähigkeit", hieß es im April in einer Empirica-Analyse.

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SZ vom 13.05.2020
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