Süddeutsche Zeitung

Helios-Patienten sollen zu viel zahlen:Ein Krankenhaus, zwei Preise

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Behandlung in der Grauzone: Öffentliche Helios-Kliniken schröpfen angeblich Privatpatienten mit einem Trick - indem sie einfach einzelne Stationen zur Privatklinik erklären. Alles legal, sagen die Gerichte.

Guido Bohsem

Die Patientin stand noch ganz unter dem Eindruck der Diagnose: Krebs. Eine Operation sei dringend notwendig, hieß in der Helios-Klinik. Man reichte ihr ein Blatt Papier, das sie unterschreiben solle. Nur so sei die Behandlung durch den Spezialisten gesichert, eine absolute Koryphäe auf seinem Gebiet. Die privatversicherte Frau unterzeichnete und wurde in die Privatklinik des Krankenhauses aufgenommen. Wochen später erhielt sie dafür eine Rechnung, die so hoch war, dass ihre Versicherung sich weigerte zu zahlen. Nahezu alle Posten waren deutlich teurer als die üblichen Behandlungskosten.

Nach Einschätzung des Verbands der Privaten Krankenversicherungen (PKV) ist das kein Einzelfall. Der Verband wirft der Helios-Gruppe vielmehr vor, ein Geschäftsmodell entwickelt zu haben, das allein darauf abziele, möglichst hohe Einnahmen aus der Behandlung privatversicherter Patienten zu erzielen.

Jährlich etwa 40 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen soll sich Helios damit sichern, haben die PKV-Experten berechnet - Geld, das die Versicherer im Zweifel zahlen müssen und das sich in steigenden Prämien für Mitglieder bemerkbar macht. "Durch die Ausgründung angeblicher Privatkliniken schafft sich Helios gezielt eine Grauzone zur Abrechnungsoptimierung", sagt ein Sprecher des Verbandes. Es gehe um eine gezielte Umgehung der gesetzlichen Vorschriften.

Wie funktioniert das? Nach Aussagen der PKV wird eine Bettenstation oder ein Flur in den Räumen eines öffentlichen Krankenhauses zur Privatklinik erklärt. Der Betreiber dieser Einrichtung muss sich dann nicht mehr an die Abrechnungsmodalitäten für öffentliche Krankenhäuser halten. Dort nämlich werden die meisten Leistungen gleich hoch vergütet, egal ob ein Kassenpatient oder ein Privatpatient behandelt wird. Lediglich für Zusatzleistungen wie Chefarzt-Behandlung oder Einbettzimmer zahlt die PKV deutlich mehr.

In Privatkliniken sind die Betreiber nicht an die Preise der gesetzlichen Krankenkasse gebunden. Sie rechnen höher ab, was nach grober Schätzung der PKV mitunter dreimal so teuer wird. "Extrem überhöhte Preise für faktisch gleiche Leistungen von gleichen Ärzten in den gleichen Räumen", fasst der Sprecher zusammen. Zudem fehle auch die in den normalen Kliniken übliche Qualitätskontrolle.

Helios sieht das natürlich anders. Der zuletzt durch Betrugsvorwürfe ins Gerede gekommene Konzern verweist auf mehrere Gerichtsurteile, die ihm recht geben. Zuletzt urteilte der Bundesgerichtshof im April in der Angelegenheit - und erlaubte das Vorgehen. Die Helios-Privatkliniken böten ein eigens entwickeltes Ausstattungs- und Servicekonzept mit hotelähnlichem Charakter, so eine Sprecherin. Dieses übersteige die herkömmlichen Angebote an den allgemeinen Plankrankenhäusern mehr als deutlich. Die Preise seien mit einer Vielzahl von privaten Krankenversicherern vereinbart und aufgrund des höheren Komforts angemessen. Die Leistungen bewegten sich auf höchstem Niveau.

Zum Schiedsrichter des Streites könnte nun Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) werden. Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft hat sich das Ministerium die Thematik bereits darlegen lassen. Die DKG plädiert dafür, die in der Gesundheitsreform vereinbarte Sparauflage wieder abzuschaffen, die auch für Privatpatienten gilt - denn durch diese Regelung entstünden für die Krankenhäuser erst die Anreize, Privatkliniken zu errichten.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2011
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