Süddeutsche Zeitung

Hassrede:Wie Künast Hassrede im Netz bekämpft

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Die Macht im Internet ballt sich in den Händen weniger Unternehmen. Die Politik ist hilflos.

Von Hans von der Hagen

Renate Künast, Abgeordnete der Grünen im Bundestag, hat reichlich Erfahrungen mit Hetze im Netz gemacht. Etwa 2015 sei das mit der Hassrede zunehmend schlimmer geworden, erzählt sie auf dem SZ-Wirtschafsgipfel. In ihrem Fall eskalierte das: Jemand erfand ein Zitat, reicherte es mit einem Sharepic an, also einem Bild, das gezielt für größere Reichweite sorgen sollte - fortan wurde Künast auf das Übelste beschimpft. Still hinnehmen wollte sie das aber nicht. Die frühere Ministerin, die auch Rechtsanwältin ist, verlangte Auskunft bei Facebook und Twitter und zog vor das Landgericht Berlin.

Aus ihrer Sicht haben die Richter krude geurteilt: Politikerinnen hätten solche Äußerungen eben auszuhalten, zudem müsste geschaut werden, ob sie nicht in einem anderen Sachzusammenhang stünden. In Worten wie "Stück Scheiße" sah das Gericht dann eben keine strafbare Beleidigungen, sondern eine Meinungsäußerung, selbst wenn diese "haarscharf an der Grenze des Hinnehmbaren" liege, wie es damals hieß.

Später wurde ein Teil der Äußerungen zwar doch noch zu Beleidigungen erklärt, doch ausgestanden ist der Fall noch nicht. Die restlichen Themen lägen nun beim Bundesverfassungsgericht, sagt Künast. Sie will die Gerichte zwingen, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, notfalls werde sie bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. "Wenn das im Netz erlaubt ist, muss das Netz anders reguliert werden", sagt sie. Es könne nicht sein, dass einige Unternehmen damit Geld verdienten, treudoof guckten und sagten: "Ach, das haben wir nicht gewusst."

Deutlich wurde in der Diskussion, wie sehr sich die Probleme vor allem in den Vereinigten Staaten unter der Regierung Trump verschärft haben. Philipp Welte, Vorstand bei Hubert Burda Media, spricht von einer "Regentschaft der Lügen". Zwar habe zumindest Twitter zuletzt begonnen, Verantwortung zu übernehmen, deutlich schwieriger sei es aber bei Facebook. Dort heiße es angeblich: Alles laufe weiter wie bisher - business as ususal. Aber das Geschäftsmodell von Facebook, so formuliert es Welte, basiere auch auf dem Verbreiten von Unwahrheiten. Studien hätten gezeigt, dass die Lüge im Netz eine viermal so hohe Interaktion hervorrufe wie das Verbreiten von Wahrheiten. Insofern spiele die Verbreitung von Unwahrheiten dem Geschäft von Facebook zu.

Die Politik tut aus der Sicht von Welte zu wenig. Die Basis für den Digital Service Act, mit dem Europa die Macht der Konzerne einschränken will, ist eine E-Commerce-Richtlinie von 2000 - mehr als 20 Jahre alt. Sie stamme aus einer Zeit, in der Amazon-Chef "Jeff Bezos in der Garage noch Bücher verkaufte", sagt Welte. Heute sei Bezos der reichste Mensch der Welt und das Internet gehöre Firmen, deren Wirtschaftskraft die von Staaten übersteige. Gemessen an der Geschwindigkeit, mit der die digitale Infrastruktur in die Hände von drei, vier US-Konzernen gelangt sei, liefen die Prozesse in der Politik unfassbar langsam ab.

Man dürfe aber nicht nur über die Vereinigten Staaten reden, sagt Künast. In Europa sei ja vieles nicht anders. Hinter der Brexit-Kampagne hätten die gleichen Financiers und ähnliche Akteure wie in den USA gesteckt. Beispielhaft nannte sie den Multimilliardär Robert Mercer, bezog sich aber auch auf die Freundschaft von Trump mit dem Brexit-Hardliner Nigel Farage. Es gebe eben Leute, auch solche mit viel Geld, die demokratische Strukturen und Regelwerke für das Gemeinwohl nicht sehr liebten. Darum sei es so wichtig, Transparenz zu schaffen.

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